Montag, 11. September 2017
ohne Bahnen
Sie erwacht im Stockdunklen, eine Stunde vor dem Anbruch ihres Tages. Sie liegt mit ihm Seite an Seite, im Zwiegespräch und in Gedanken. Ruhig und besonnen sind beide Strömungen in ihr; die ihn ausschließende und die ihn annehmende.

Solange sie nicht weiß, was zu tun ist, wird sie nichts tun, ihn ausklammern, seinem Blick niemals begegnen.

Zufrieden beginnt sie die jungfräuliche Zeit, als wäre sie zwanzig Jahre alt, nicht wissend und nicht voraussetzend, was geschieht.

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Reise
Sie stapft munter drauf los. Am Wegesrand blühen und duften Flachspflanzen, als endete der Sommer nie. Doch die prallen Hagebutten verraten den nahen Umschwung. Sie schlägt unbekannte Wege ein und überlässt sich ihrer inneren Führung. Mündet ein Pfad in die Wildnis, geht sie trotzdem weiter, schlägt sich durch Dickicht und Unterholz und orientiert sich an den angebauten Fruchtständen. Sie passiert sie um einiges überragende Maispflanzen, Kartoffeln, Weiden, Brachland. Zweimal überquert sie einen Wasserlauf, dessen Pegel in den letzten vier Wochen angeschwollen ist.

Die Natur nimmt sie auf wie in der Vergangenheit, als sie ihre Reise antrat, ohne zu wissen, wo sie landen würde. Ein wenig hat sie Sehnsucht, es erneut zu tun, einfach loszugehen; aber sie spürt auch den wohligen Einfluss der neuen Heimat, dort wo ihre Pflanzen sind, die Tiere, ihr Heim und sichere Zuflucht. So begnügt sie sich mit ein paar Träumen und genießt die Sonne auf ihrer Haut.

Bereits von weitem hört sie ein Fuhrwerk, das Klappern der Hufe, das Knarren der Räder, das Rasseln der Ketten, die gurrende tiefe Stimme des Kutschers. Das Gespann biegt vor ihr auf die Straße, dunkle Pferde mit glänzenden, frisch geölten Ledergeschirren, begleitet von einem freudigen Hund mit hellem, lockigen Fell. Sie grüßt, hebt aber kaum den Blick.

Weiter geht's auf ihrer Route, nun langsam die Himmelsrichtung gen Heimat einschlagend. Sie betritt einen Wald, auf einem von Fuhrwerken ausgefahrenen breiten Weg. Die Kühle zwischen den Bäumen hängt voll dumpfem und gleichzeitig klarem Geruch der Tannen und Fichten, lange Nadelpaare bedecken den Boden und dämpfen ihre Schritte. An der nächsten Gabelung zögert sie. Links von ihr führt ein Pfad zu einem Gehöft in der Ferne. Diesen wählt sie. Auf halben Weg begegnet ihr ein altes Mütterchen. Ist sie eine Bewohnerin des Gutes? Sie wagt nicht zu fragen und setzt ihren Weg schnell fort. Und dann taucht es vor ihr auf, ein verwaistes, leerstehendes Wohnhaus mit toten Fensteraugen, verwitterten Scheunentoren, nutzlosen Gerätschaften. Im Vorgarten stehen geisterhaft ein paar Möbel, als wären die Hiesigen nur schnell für eine kleine Unterbrechung fort.
Sie umwandert das verwunschene Anwesen und stellt fest, dass die Wiesen rundum gemäht sind, sogar kleine Bäumchen sind frisch gepflanzt. Hinter dem Hof weiden Schafe und - sie erschrickt, im Matsch vor ihr liegt eine Sau, deren Farbe sich kaum vom Boden unter ihr unterscheidet. Gänse und Hühner laufen hier und da - dieser Hof wird bewirtschaftet, aber von wem?

Sie überlässt sich ihren Gedanken und Wunschträumen und wandert weiter, verlässt den Wald und tritt hinaus in die unendlichen Auen und Weiden vor ihr.

Nach Stunden kehrt sie zurück, mit reinem Geist und aufgeladenen Kräften. Sie bereitet sich ein Mahl und ist sich selbst genug.

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