Freitag, 11. August 2017
anhalten
Später holt sie einen guten, alten Wein aus dem kalten Keller des Schuppens.

Sie benützt das edle, hauchdünne Glas aus dem Hausstand ihrer alten Tante. Der schwere Geist des kostbaren Trunks berührt ihren Geruchssinn. Ihre Gedanken sind zäh, wie gelähmt, ihre Bewegungen hölzern, wie in Trance. Vom Weinen müde schmeckt sie das herbe Aroma des Rotlings auf ihrer Zunge, oder das Salz ihrer Trauer.

Sie ist gesegneter als der mächtigste Herrscher auf Erden, und glücklicher als alle Menschen dieser Welt. Ihre Kinder sind gesund, sie hat alles, was sie braucht. Sie liebt; sie wird sich in keinem Fall über irgendetwas beklagen.

Sie spürt, dass sie ihr Herz nicht bei ihm abholen kann und seufzt und fügt sich. Ein ums andere Mal bleibt sie stehen, wo sie ist.

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Aus
Er verlässt sie.

Der Schmerz trifft sie heftig. Gleichzeitig denkt sie: jetzt kann es voran gehen. Erst jetzt. Jetzt endlich.

Während des Tages wahrt sie ihr Gesicht.

Abends auf dem Weg zur Hütte spürt sie ein Verlangen, ihren eigenen Körper zu verletzen. Sie reflektiert, dass sie viele Jahrzehnte zählt und dieses Begehr noch niemals fühlte.

Abends löst sich die Verzweiflung und sie weint bitterlich, zerreißendes Schluchzen bahnt sich seinen Weg. Sie streift sein Amulett ab, brüht sich einen feinen Tee auf, schlüpft in anschmiegsame, wärmende Kleidung, feuert an, zündet sich ein Licht an. Sie tunkt ihre Seele in den Schmerz hinein, lässt sich fallen in die Not und überlässt sich vollends der Trauer.

So hat sie immer gehandelt in Zeiten der Pein und so war es gut und heilsam.

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