Samstag, 19. Mai 2018
feinsinniger Wille
Ein einsamer Tag klettert wortlos über den Horizont in die Welt. Die reichste Natur lockt sie mit der reinsten Schönheit und der üppigsten Fülle ins Erwachen, doch sie nimmt sie nicht wahr.

Sie steht auf, macht sich heißen Kaffee, kämmt ihr Haar und richtet sich her, alles schlicht und ohne große Aufmerksamkeit. Später wandert sie in die Siedlung der anderen, sie bringt eine Nachricht mit Grüßen für ihre Schwester zum Boten, erwirbt Fleisch und Mehl beim Krämer und wässert auf dem Heimweg bei einem Nachbarn die Pflanzen.

Wieder daheim bereitet sie sich stereotyp ein Mahl. Sie spürt Einsamkeit und Trauer, und - um sie loszulassen, lässt sie ihre Tränen laufen. Linderung kommt nicht zu ihr.

Sie gießt sich frische Kräuter mit kochendem Wasser auf und atmet die heißen Dämpfe ein. Ihre Hütte umhüllt sie mit feinem, seidigen und gleichzeitig vollkommen undurchdringlichen Frieden und Schutz. Sie verbirgt sich darin und verschließt sich fest vor allem anderen.
Sein Amulett liegt unbeachtet in einer Ecke neben dem Waschkrug. Schon den zweiten Tag hat sie es nicht umgelegt; doch besser macht das die Sache nicht.

Sie wird sie lösen, die Aufgabe. Ihr Willen ist fein, starrsinnig, unbeugsam und ungebrochen.

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