Mittwoch, 23. Oktober 2019
Glücksinseln
Lange Stunden vor Erwachen des Tages endet ihr Schlaf. Immer wieder schlüpfen ihre Gedanken aus der Geborgenheit der dunklen Höhlen ins Leben, und schließlich verlässt sie ihr Lager, feuert an und kocht sich frischen Kaffee.

Wie eh und je schreiben sie sich kleine Briefchen; nach der langen Stille noch etwas ungelenk, tastend, und gleichzeitig erinnern sich die schreibenden Hände und liebenden Herzen so gut an alle Gegebenheiten, als hätte es niemals eine Pause gegeben.

Gefühle und Eindrücke fließen an den Ufern ihrer Seele entlang, sie betrachtet sie versonnen und fast entrückt und fragt nicht nach woher und wohin.
Ihn bittet sie um Umsicht und sanft nickt er ihr zu.

Bereits zu Beginn der erneuten Begegnung hat er sich angekündigt und sie freut sich auf ihn.

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Sonntag, 20. Oktober 2019
Revue
Sie liebt diese Morgen. Auf dem blankgescheuerten Tisch steht der dampfende, starke Kaffee, die Hütte ist gemütlich und warm vom kleinen Ofenfeuer, so dass sie barfuß hin- und hertapsen kann. Die Vögel - zumindest die, die über den Winter bei ihr bleiben werden - tun so, als ob alles absolut wie immer wäre; ihr Herz leuchtet still.

Ab und an schreibt er ihr eine kleine Nachricht. Das lange Schweigen ist zuende, sie ist ruhig.

Sie überlegt, ob sie über sich selbst den Kopf schütteln soll. Doch das hat sie schon so viele Male getan - geändert hat es nichts. Wenn sie alle Dinge der Vergangenheit Revue passieren lässt, hebt sich die Annahme und Einwilligung in die Gefühle und seine Anwesenheit und Ausschließlichkeit deutlich als die beste Umgehensweise hervor, die ihr inneren Frieden bringt.

Sie nimmt noch einen kleinen Schluck.

Sie ist glücklich.

Vielleicht wird sie wandern gehen heute.

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Samstag, 19. Oktober 2019
alle Zeiten
Nach Monaten erhält sie eine Depesche von ihm. Er formuliert seine Worte zurückhaltend; sie saugt sie auf und antwortet nicht.

Später bittet er sie um ihre Erlaubnis für seinen Besuch.

Sie liebt ihn und wartet.

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Samstag, 14. September 2019
schwerer wahrer Weg
In der Nacht erwacht sie alle zwei Stunden. Prall und unbarmherzig prangt der volle Mond über ihr und bestrahlt sie mit der schonungslosen Wahrheit.

Er liebt sie nicht. Er will sie nicht. Er hat sie verlassen.

Doch sie schläft immer wieder ein. Eine Stunde vor dem Wechsel erwacht sie, einigermaßen ausgeruht, phlegmatisch, in tiefer, monotoner Trauer. Schon oft hat sie versucht zu weinen, in der Hoffnung einer Lösung, einer Lösung dessen, was niemals gelöst werden wird - vergeblich. Heute morgen bricht sich das Drama seine Bahn, das Schluchzen läuft aus ihr heraus wie zähflüssige Milch.

Danach geht es ihr nicht besser. Sie weiß, sie muss ihn loslassen, gehen lassen ohne Wiederkehr, sie darf nicht grollen oder aufbegehren, nichts gehört ihr, nichts.
Wieder laufen die Tränen.

Dumpf drückt der Morgen auf ihr Gemüt, hölzern steht sie auf. In dem Säckchen mit den Vogelkernen sitzt eine Maus, sie bemerkt sie nicht und schöpft sie mit dem Becher hinaus. Als sie das Kleintier sieht, schleudert sie es reflexartig weit von sich; das Mäuschen bleibt wie tot liegen. Doch später läuft es davon, erst taumelig, dann immer sicherer.

Sie ist froh über ihre tiefe Trauer. Es fühlt sich wirklicher an als die zwanghafte Imagination von Glück und Zufriedenheit. Sie ist froh, sein Amulett nicht abgelegt zu haben, ehrlich zu sich gewesen zu sein, sich nicht verleugnet zu haben.

Bereit für die Zukunft ohne ihn, bereit, ihn in ihrem Herzen zu belassen, bereit für die Hoffnung auf Besserung, kocht sie sich starken, schwarzen Kaffee.

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Montag, 2. September 2019
weitere Pläne
Sie erwacht, mit ihm tief in ihrem Herzen und seiner Begleitung durch die Anderwelt.

Ihr Blick auf ihn wandelt sich manchmal.

Sie spürt die Veränderung, nimmt sie dankbar wahr und wendet sich ihren weiteren Plänen zu.

Der Herbst heißt sie langsam eine leichte Hose anlegen und über ihren Knien liegt nun eine wollene Decke.

Friedlich und harmonisch nimmt der Morgen seinen Platz ein. Sie umwickelt den Henkel des heißen Kaffeekrugs mit einem Leinentuch und gießt sich Kaffee nach.

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Sonntag, 1. September 2019
fernes Spätsommerziel
Früh, vor Aufgang der Sonne, steht sie auf, fügt die vorbereiteten Speisen und für eine Tagesreise notwendigen Dinge in ihr Säckel, trinkt etwas heißen Kaffee aus dem Krug und wandert los. Nicht die schweren Lederschuhe stecken an ihren Füßen, es sind die leichten Mokassins, in den es sich wie barfuß läuft.

Es ist nicht ganz dunkel, der Himmel ist klar, und sie sieht sich aufmerksam um. Meist macht sie kleine Pfade und Wechsel aus; wenn sie ein Stück des Hauptwegs geht, duckt sie sich in den Graben oder hinter einen Baum, wenn Menschen oder Fuhrwerke mit Fackeln und Leuchten sich nähern. Ein kleines Messer mit perlmuttbeschlagener Scheide ruht in ihrer Tasche.

Schon bald färbt sich der Osten zuerst fast unmerklich orange. Nach eineinhalb Stunden steht ein tief leuchtender Feuerball über dem Horizont. Keinerlei Wärme geht von ihm aus, und sie reibt immer wieder ihre klammen Hände aneinander und macht keine Pause, es ist ihr zu kühl.

Sie kennt die Himmelsrichtung ihres Ziels, und orientiert sich an Sternen, ihrer Erinnerung, dem Tagesanbruch und Windmühlen, deren mahnende Mühlblätter wie Finger von weit her auszumachen sind. Außerdem nutzt sie eine seltsame Apparatur, die ein uralter Mann ihrem Kind einst gab, und die mit einer zitternden Nadel zu jedem Zeitpunkt in die nördliche Richtung zeigt. So ist es ihr möglich, die breiten, ausgetretenen Wege und die Menschen dort zu meiden und sich durch die unberührte Natur zu bewegen.

Nebelschwaden versuchen, sich dem noch starken Sommer aufzudrängen, zuweilen hängen sie wie ein schleierndes Dach über ihrem Weg. Ihre Reise ist fast vollständig einsam, die Hütten liegen noch dunkel da und sind fest verschlossen.
Einmal kommt ihr ein dunkel gekleideter Mann entgegen, Wams und Hemd sind zerfetzt, mit schmutzigen Füßen und fauligen Zähnen. Das sieht sie bei seinem Gruß, und sie deutet seinen Blick, eine hässliche Bemerkung und sein häufiges Umsehen als bedrohlich und tastet nach dem Messer. Eine Weile noch sieht sie häufig zurück und noch aufmerksamer in jede Richtung als sonst.

Viele Tiere begegnen ihr, unbeabsichtigt scheucht sie Feldhasen aus ihren Mulden, ab und an beäugt sie ein Reh aus sicherer Entfernung, um dann elegant und mit majestätischen Sprüngen weiterzuziehen oder den Kopf wieder zu senken und zu äsen. Zwei Gänse schnäbeln auf einem bereits abgeernteten Feld, wie Schwanenhälse bilden sie manchmal ein herzförmiges Gebilde. Später watschelt er voran, sie folgt ihm in stillem Einvernehmen.
Einmal folgt ihr ein Wolf, wieder tastet sie nach dem Messer. Er aber läuft nur langsam, und hält immer wieder inne, als wolle er sie vor sich hertreiben, mit gebührendem Abstand, bis zur Grenze seines Reviers. Sie hält den Blick gesenkt und geht mit gezieltem, ruhigen Schritt.

Sie ist bereits einige Stunden unterwegs, als sie die erste Ortschaft ihrer Tour erreicht. Unter einem Holzstand lässt sie sich nieder für eine erste Pause. Noch ist es nicht heiß, so dass sie die Sonne auf ihrem Gesicht genießt. Sie isst und trinkt mit wohligem Gefühl, und schreckt nur leicht auf, als ein früher Bewohner sie grüßt. Auch ihm gewährt sie keinen Blick in die Augen und richtet ihre Aufmerksamkeit auf ihre Vesper. Sie spürt seine Neugier, wehrt sie aber wortlos ab.

Es wird heißer. Zweimal quert sie die vielgenutzen Hauptwege, und nähert sich den größeren Siedlungen mit all seinen Belebungen und Geräuschen. Mehr und mehr legt sie Kleidung ab und verstaut sie in ihrem Beutel, sie ist gut vorbereitet auf die hohen Temperaturen. Sie gönnt sich eine weitere Rast an einer offenen Hütte, an der sie Wasser und Süßigkeiten erhält. Sie wäscht sich und ruht sich aus, und bereitet sich auf den Anstieg des vor ihr liegenden, dicht bewaldeten Höhenzugs vor.

Ihre Reise ist anstrengend. Als sie den Kamm des Kleingebirges endlich erreicht, geht sie erleichtert die felsigen, aber nur sacht auf und absteigenden Stiege. Ihre Füße brennen, als sie ihr einsames Ziel erreicht. Ein letztes Mal legt sie sich heilsame Arnika unter die Zunge. Dann wäscht sie sich mit kühlendem Wasser die Füße und den Nacken, bereitet sich ein einfaches, aber volles Mahl und fügt sich erschöpft in den Willen der schwer werdenden Lider.

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Mittwoch, 21. August 2019
stringenter Schnitt
Erholt erwacht sie aus tiefem Schlaf, gestärkt und geschützt. Es ist, als hätte sie in der Welt der Träume und Geister einen frischen Schutzschild um sich herum erhalten.

Längst ist der Morgen, hell und sonnig, eingetroffen. Der Sommer feiert seine Hochzeit; nur - fast unmerklich - wie ein flüchtiger Schleier liegt der erste Herbstnebel in der Luft.
Bei ihrem nächsten Aufblicken ist er verschwunden.

Wie jedes Mal mit etwas Zeitverzug - dieses Mal hat es etwas länger gedauert als üblich - erreichen sie seine Gedanken und Haltung auch ohne Kontakt und Worte: er wird sie niemals mehr eines Blickes oder einer Berührung würdigen.

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Samstag, 17. August 2019
mehr Heilung
...immer öfter sieht sie das Heil und den Schutz in dem Umstand, dass nicht er seinen Platz in ihrem Leben eingenommen hat. Sie erinnert noch ausgezeichnet, dass sie ihn hineingelassen hätte, sehr nah an sich heran, ja, das hätte sie.

Noch liebt sie ihn, sie bejaht jede Minute der Vergangenheit und ihrer Gefühle. Doch es schmerzt nicht mehr so sehr. Seine Ablehnung trifft nicht mehr so tief. Seine Abwesenheit fühlt sich nicht mehr so schlimm an.

Heißer, starker Kaffee rinnt in ihr Gemüt und weckt sanft und nacheinander Geist, Seele und Glieder.

Der Tag ist ohne Pläne.

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Freitag, 16. August 2019
breiter ruhiger Strom
Viele Gedanken huschen durch ihr Leben, als einzige Begleiter in diesen langen Tagen.
Er ist verschwunden aus ihrem Kosmos, ihrer Luft. Vielleicht hängt noch hier oder da ein Rest seiner Seele in der einen oder anderen Ecke herum, doch er selbst ist gegangen und hat nichts zurückgelassen.

Beim Gang zum Markt schnappt sie die Worte zweier Weiber auf, und setzt deren Anregung um - aus ihrer Feder sollen einfach die Worte gleiten, die ihr zufliegen, ohne Geistesfilter.

Sein will sie, frei sein, ohne Korsett. Reich ist sie schon, doch - sie schämt sich dieses Umstands - ihr Reichtum fühlt sich manchmal fad an, öd, farblos, versehen mit der Sehnsucht nach Armen.

still sieht sie auf die restlichen weißen Blätter. dort stehen mit unsichtbarer Tinte geschrieben die Worte Trauer Trauer Trauer und Trauer. es ist nicht, dass sie weint - sie wird sich ihrer innerlichen Rechtfertigung bewusst - doch die Trauer sitzt tiefer als das Auge ein Dunkel durchbrechen kann.

Zäh sind ihre Bewegungen, mit denen sie sich sein Amulett um den Hals legt, weich und silbern schimmert sein Glanz. Wenig überzeugend schimpft sie mit sich selbst und kleidet sich dennoch liebevoll in schöne und wohltuende Tücher und Stoffe.

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Dienstag, 6. August 2019
ewiglich
Sie wandert. Der heiße Sommer liegt schwer in den Lüften und fließt gemächlich übers Land; alles ist über und über vollgehängt mit Blüten und Früchten.
Wollene Hebammen bedecken die Erde und tragen neues Distelleben, wohin es Gott gefällt. Gutmütig und froh über das Leben und ihren zuträglichen Fleiß lässt sie sich von den unterschiedlichsten Fliegern umschwirren, schillernden Libellen, summsenden Bienen und Wespen, aufdringlichen Brummern, Käfern und Bremsen.
Das Wasser scheint zäh durch sein Bett zu treiben, mit niedrigem Stand, so dass man die Gräser des Grundes sich wiegen sieht. Deutlich erkennt sie die gefleckten Rücken der fetten Flussforellen sich im Schatten unter einer Brücke drängeln und tummeln.

Die schwere Arbeit und die Hitze der Lebensmitte des Jahres erschöpfen sie zuweilen, doch ihre Streifzüge durch die Natur lassen sie aufleben und erfüllen sie wie immer mit neuer Freude und friedlicher Kraft.

Unverändert hängt sie in der klebrigen Schleife im Kontext zu dem starken, unnahbaren Liebesmann, pendelt hin und her zwischen Plänen für ein morgen ohne ihn und Resignation. Gleichzeitig spürt sie die sich über sie ergießenden Fülle, die sich unendlich anfühlt ...today I've got a million; tomorrow I don't know... und nimmt alles dankbar hin. Nur leise atmet sie hin und wieder ein oder manchmal aus und rührt sich ansonsten nicht ein bisschen vom Fleck.

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Samstag, 13. Juli 2019
Klebe-Ort
wie erstarrt hängt ihr Blick am Horizont....

Längst ist er verschwunden, sie rührt sich nicht, bleibt bewegungslos zurück.

Manchmal fasst sie Mut, oder Trotz, oder was ist es? und schmiedet Pläne für die Zukunft, für eine Entwicklung, sieht einen anderen Mann an, stellt sich vor, ihm zu folgen.

Nur wenn sie zurückkehrt zu der Haltung, ihm die Hoheit in ihrem Herzen weiterhin zu überlassen, ebbt der drückende Schmerz etwas ab, und sie kann sich sich selbst und dem Leben zuwenden.

Fast ist sie sich sicher, schon lange, dass sie irgendwann ihren großen und über diesen langen Zeitraum anhaltenden Fehler erkennt - es kann ja gar nicht anders sein - doch: immer noch ist es nicht soweit.

Und - das muss man ja auch in Erwägung ziehen - auch ihr Leben und der Kapazitätsrahmen für ihre Erkenntnisse sind begrenzt. Vielleicht lüftet sie dieses Geheimnis niemals und bleibt kleben an diesem Ort.

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Mittwoch, 10. Juli 2019
zeitstrom
Er kommt nicht mehr.

Dieser Punkt ist präsent.

Ihr Leben ist angefüllt, gesegnet wie ein bunter Weihnachtsteller. Vertrauen, Sicherheit, Vielfalt, Möglichkeiten, Liebe, Hütte, alles ist im Überfluss da.

Sie ist sehr viel auf Tour, verschmilzt mit der Natur und badet im Sein. Manches Mal versucht sie, sich die Momente zu merken. Meist ist sie zu ernsthaft.

Er kommt nicht mehr.

Sie weiß, dass sie nichts weiß.

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Sonntag, 30. Juni 2019
Hochtagetour
Stundenlang streift sie durch die Wälder. Bald ist ihr Weg frei, es ist frühmorgens, und die Sonnenwärme ist ihr willkommen. Tau der Schattenflächen dringt durch ihr Wanderschuhwerk und durchnässt ihre Socken.

Eine Ameisenstraße kreuzt ihren sandigen Weg. Schwarze, klitzkleine emsige Wesen füllen ihren Kosmos mit Arbeit und Sinn.
Bei einer Rast fällt ihr Blick auf die Kinderstube der Babyfische in der warmen Brandung des Flusses.

Brombeerranken strecken sich ihr entgegen und streichen begrüßend an ihren Armen und Beinen entlang. Sie lauscht den Vogelstimmen. Ein Bussard klagt aufgeregt und laut sein Lied. Sie erkennt Specht und Schwalben.

Sie saugt alle Augenblicke gierig ein und denkt an ihren Tod. Wird sie sich erinnern?

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Samstag, 29. Juni 2019
Herztöne
...wie immer in den Hochtagen erwacht sie früh. Die Sonne malt afrikanische Farben auf die Wälder. Sie wird eine lange Tour machen.

Ihm hat sie noch einmal geschrieben, dass ihr Herz für ihn schlägt.

Im Wald lässt sie ihn links liegen und bemerkt ihn kaum. Nicht sehr reif, ihr Verhalten, aber hilfreich für sie selbst.

Sie freut sich auf den Tag.

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