Samstag, 14. September 2019
schwerer wahrer Weg
In der Nacht erwacht sie alle zwei Stunden. Prall und unbarmherzig prangt der volle Mond über ihr und bestrahlt sie mit der schonungslosen Wahrheit.

Er liebt sie nicht. Er will sie nicht. Er hat sie verlassen.

Doch sie schläft immer wieder ein. Eine Stunde vor dem Wechsel erwacht sie, einigermaßen ausgeruht, phlegmatisch, in tiefer, monotoner Trauer. Schon oft hat sie versucht zu weinen, in der Hoffnung einer Lösung, einer Lösung dessen, was niemals gelöst werden wird - vergeblich. Heute morgen bricht sich das Drama seine Bahn, das Schluchzen läuft aus ihr heraus wie zähflüssige Milch.

Danach geht es ihr nicht besser. Sie weiß, sie muss ihn loslassen, gehen lassen ohne Wiederkehr, sie darf nicht grollen oder aufbegehren, nichts gehört ihr, nichts.
Wieder laufen die Tränen.

Dumpf drückt der Morgen auf ihr Gemüt, hölzern steht sie auf. In dem Säckchen mit den Vogelkernen sitzt eine Maus, sie bemerkt sie nicht und schöpft sie mit dem Becher hinaus. Als sie das Kleintier sieht, schleudert sie es reflexartig weit von sich; das Mäuschen bleibt wie tot liegen. Doch später läuft es davon, erst taumelig, dann immer sicherer.

Sie ist froh über ihre tiefe Trauer. Es fühlt sich wirklicher an als die zwanghafte Imagination von Glück und Zufriedenheit. Sie ist froh, sein Amulett nicht abgelegt zu haben, ehrlich zu sich gewesen zu sein, sich nicht verleugnet zu haben.

Bereit für die Zukunft ohne ihn, bereit, ihn in ihrem Herzen zu belassen, bereit für die Hoffnung auf Besserung, kocht sie sich starken, schwarzen Kaffee.

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