Sonntag, 28. Januar 2024
durchlässig
Sie ist klein. Die Seelenhaut feenhaft, gesenkte Blicke, verzagtes Herz, froh über Gottes Hand und seine verborgenen Häfen.

Bereits früh steht sie auf, feuert kräftig an, nimmt alle Linnen vom Bett herunter, füllt heiße Waschlauge in den Zuber, hängt Decken und Felle in die kalte Nachtluft und kocht sich Kaffee.
Kein Mensch ist da, niemand ist zu fürchten, so sucht sie Erholung und Entlastung. Unschlüssig trinkt sie Kaffee und lauscht in die Nacht.

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Mittwoch, 24. Januar 2024
Feenfädchen
Endlich, endlich. Sie hatte ihn heiß ersehnt, Zweifel und Ängste verfingen sich in den Ecken aller Räume, endlich fegt er herein, mit kalten Fingerspitzen und eisigem Hauch im Tross. Beide sinken sie erschöpft und selig in ihre Welten, drängen sich eng aneinander, lösen ihre Lippen nicht. Es sind nur wenige Stunden, doch sie kosten geschickt alle Sekunden und Momente, liebkosen einander, sprechen über Neuigkeiten, alles wild durcheinander und ohne jede Struktur, nach ihren ureigenen Gesetzen, gleichzeitig archaisch und feiner als Feenfädchen. Er geizt mit allen Fristen, ordnet jede Weile ihrer Verbindung zu, verwehrt ihr jeden Raum und lässt sie nicht aus.
In sich gekehrt und voller Fülle geleitet sie ihn zum Wald hin, küsst ihn still und klug, und sendet ihm eine erste Nachricht, sobald er nicht mehr zu sehen ist.

Der Wolfsmond füllt sich.

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Sonntag, 14. Januar 2024
matt
Müde und zerschlagen verharrt sie zwischen den schweren warmen Fellen, und kann dem Tag nicht folgen. Erst spät und mühsam steht sie auf. Ist sie nur schwach, oder greifen die Arme einer Krankheit nach ihr und drohen sie zu umfangen und hinabzuziehen.

Sie kocht Kaffee und wickelt sich ein in warme Plaids, einen warmen Stein aus der Glut zu ihren Füßen.

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Samstag, 6. Januar 2024
schwarze Boten
Auf den Pfaden der Anderwelt, ausgetreten und jahrtausendealt, wandert sie durch die Natur. Kurz vor der Erreichen der kleinen Weihestätte streifen ihre Augen die Krone der Kastanie, die wie leergefegt in den grauen Himmel ragt - weder ein Rabenvogel noch sonst ein gefiederter Geist ist zu sehen oder zu hören.
Leise betritt sie das Bethaus, dass anders als sonst hell erleuchtet ist. Hunderte Lichter wurden entzündet, und am Ende des Schiffes hört sie Gemurmel und Stimmen, sie erkennt schemenhaft die Umrisse von Menschen und die eines Priesters. Sie drückt sich still in einer Ecke in eine Bank und spricht ihr Gebet, nicht ganz so innig wie sonst. Von dort verfolgt sie die Gesten der Gestalten und erkennt die Taufe eines Säuglings.
Als die Gruppe ein Lied anstimmt, stiehlt sie sich hinaus.

Und dort empfängt sie eine kleine Gesandtschaft der Raben. Sie turnen und flattern durch die Äste der uralten Eiche des Kirchhofs, rufen laut, und sie erkennt ihren Gruß:
gut gemacht! gut gemacht! und: kein Grund zur Sorge! kein Grund zur Sorge!

Erstaunt und verwundert tritt sie den Heimweg an.

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Mittwoch, 27. Dezember 2023
Durchlass
Emsig wechselt sie zwischen Anderwelt und diesseits, wie durch eine Drehtür, solange sie geöffnet ist. Sowohl Nacht wie auch Tag kommen näher als in den übrigen Zeiten, und der Julmond krönt heuer das besondere Erleben.

Alle Tage hebt sie den Blick zur Kastanienkrone, doch die Rabenvögel zeigen sich nicht mehr. Lediglich ein Taubenpaar sitzt zur Rast in den Ästen, und keine Botschaft kreuzt die winterliche Luft.

Durch die schwere Kirchentür schlüpft sie in das stille, heilige Haus, in dem sie stets allein ist. Viele Gebete steigen auf, Wunder-Rat, Ewig-Vater, Friedenfürst. Ohne die Tradition der Menschen entzündet sie ein Licht, und legt die Botschaft in hohe Hände, selbst unsichtbar bleibend.

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Montag, 25. Dezember 2023
Heiliger Abend
Noch in der Nacht bricht sie auf zu einem Weihegang. Mit offenen Sinnen wandert sie durch die schwarze Natur, bis die anfangs unmerkliche Dämmerung dem Tag den Weg zu seinem Recht bereitet. Aufmerksam achtet sie auf alle Dinge, suchend, betend, dringend. Sie ruft den Ewig-Vater an zu handeln, zu schützen und zu siegen, und schreitet und stapft weit in das leere Land hinein.

Alle Bäche sind angeschwollen, ein Fluss ist nicht weit entfernt davon, über die Ufer zu treten. Schnell rauscht das drängende Wasser voran, gegen die Meere, und kündet die Kleinheit der Welten und Menschen.

Nach Stunden erreicht sie die Siedlung, deren Grenze sie passieren muss auf dem Weg heim zur Hütte. Noch einmal wünscht sie die Zeichen der Mächte herbei, ersehnt sie Erkenntnis, und fragt sich schon, ob ihre Ohren zu verschlossen sind, ihre Fähigkeiten verloren. Da hört sie eine große Gruppe Rabenvögel, laut krakeelend auf einem Kastaniebaum, der nahe der Kirche steht, an die hundert Jahre alt. Und sie versteht ihre Botschaft deutlich: "Hab keine Angst! Sorge Dich nicht. Hab keine Angst! Sorge Dich nicht." Immer wieder und laut rufen die klugen Geister ihre Nachricht, und bestehen darauf, dass alles nach Gottes Willen geschieht.
Und sie erreichen ihr Ziel. Getröstet und vertrauensvoll finden ihre Füße den Heimweg, und gestärkt beginnt sie mit dem Backwerk und mit der Bereitung der Speisen für den Heiligen Abend.

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Freitag, 15. Dezember 2023
Fürbitte
Frühmorgens und wohlgemut betritt sie die Kehrseite der Anderwelt, begrüßt die Kühle der Hütte, kocht Kaffee und entzündet helle, klare Lichter, viel mehr als der Advent bedeutet.
Wolfens Herz in der Nähe, ein eingewickelter Stein aus der Glut zu ihren Füßen lässt sie sich nieder, warme Plaids über den Beinen, und erledigt Schriftsachen und Weihnachtspost.
Hell, hell strahlt die Verheißung warme Pfeile, und sie betet verbunden und klein.

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Donnerstag, 14. Dezember 2023
Sinn
Alle Schmerzen verschwinden über Nacht, sie erwacht gesund. Noch etwas unsicher tappt sie durch die dunkle Hütte, liebt den frischen Kaffeeduft.
Die Liebe des Wolfes wohnt zauberhaft in ihrem Herzen, keine Sorgen oder Dämonen halten Rechte. Sie spürt Fülle und Bedeutung und senkt den Kopf.

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Montag, 11. Dezember 2023
Wolfsnacht
Er lacht, laut und freudig, als er sein Ankommen ankündigt. Sie ist etwas kränkelnd, kann sich seiner sehnsüchtigen Ausgelassenheit nicht entziehen. Er umgarnt sie, nimmt ihr das Anfeuerholz aus den Händen, richtet ihr Lager, nimmt sie sanft und sorgend hoch und trägt sie.

Später schlafen sie verschlungen, stecken einander mit ihrer Hitze an; Bilder von Burgen, Festsälen und Ställen geistern durch ihre Träume. Er probiert von ihren Weihnachtsspeisen, sie sind sich fremd wie jedes Mal, staunend, kostend, strahlend, glückselig, ohne Worte versichern sie sich ihre Liebe. Er schenkt sich ihr hin, wie ein Rollenwechsel.

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Samstag, 2. Dezember 2023
Kleinheit
Dies war der Ort, an den sie verzweifelt geflohen war und sich vergraben hatte, als er sie veließ und sie hilflos und voller Schmerz zurückblieb. Hier kam sie her, um ihm nah zu sein. Sie erinnert sich gut.

Und nun? Wolf und Katze sind enger vereint denn je, fester verbunden als Liebende es sein können, es fehlt ihnen nichts. Es ist wunderber, wunderlich, manchmal seltsam, unglaublich, zuweilen beängstigend.
Sie spürt ihre Zukunftsgedanken, ohne Wünsche oder Pläne, nimmt ihre tiefe Dankbarkeit wahr, fühlt ihre Kleinheit und Liebe.

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Freitag, 1. Dezember 2023
Heimelige Christküche
Lichtgrau und nur zäh läuft der Tag ein. Dicke Wattedecken liegen auf den Hüttendächern der Siedlung, maändernder Nebelrauch quillt aus den Schloten.
Oft entgleiten ihre Gedanken zum Wolf hin; mal ist sie froh, allein zu sein, manchmal ersehnt sie seine Nähe. Als ein Briefchen da liegt, lächelt sie leise, und beantwortet es in der Andernacht, die nur ihnen beiden gehört.

Es ist ein Geschenk, das ihnen gegeben wurde, und es ist alles gut, wie es ist. Wird es sich ändern? Sie schiebt den Aspekt beiseite, hinaus aus ihrer Welt.
Auf dem blankgescheuerten Holz liegt bereits Mehl aufgeschichtet, und sie holt geschäftig Fett, Eier und verheißende Gewürze herbei, schiebt ihre Ärmel auf.

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Montag, 20. November 2023
Mächtige Kräfte zwischen den Zeiten
Die Zeit verlangsamt sich und kündigt die Rauhnächte an. Wind und Nächte rufen sie ab, sie folgt, stapft hinaus in schwärzeste Dunklen und übergibt ihre Sinne den mächtigen Geschehnissen.

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Samstag, 18. November 2023
auf dem Weg
Ordnung, Ruhe, Stille. Das sind ihre Kraftquellen, die sie bewusst aufsucht. Die Begriffe ähneln Stillstand, doch sie spürt: sie befindet sich auf einem Weg.



Ihr Gedanke an die kommenden Rauhnächte erfüllt sie mit warmer Vorfreude.
Der Buntspecht aus dem gegenüberliegenden Wald bearbeitet lautstark die mit Körnern bespickten Hölzer.

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Donnerstag, 16. November 2023
Odem
Erschöpft trifft sie in der kalten Hütte ein. Sie entledigt sich der festen, schweren Kleidung, verräumt die irdenen Krüge vom Vortag, feuert an und entzündet alle Lichter, und kocht Kohl und Würste.

Später sitzt sie müde und wohlig am Feuer, die warmen Zehen in Fellen verborgen. Der sorgende Wolfsatem liegt sanft in der Nähe.

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