Mittwoch, 15. August 2018
ihre Liebe
Der neue Tag betritt die Bühne in dunklem Kleid. Tiefschwarze Fichten und Kiefern ragen gegen das fast unmerklich fahle Licht des Morgens totenstill und fast bedrohlich auf. Sie aber fühlt sich heimisch in den geheimnisvollen Tiefen des Waldes und findet sicher Weg und Stand.

Immer wieder gerät sie an ihre eigenen Grenzen, und es kehren sich ihre Schwächen und schlechten Seiten nach oben. Sie arbeitet heftig und denkt und müht sich, es zu richten und gleichzeitig nicht unterzugehen.

Fein und liebevoll tröstet sie sich selbst, kocht sich Kaffee und stapft dann hinaus, den Menschen und dem Tag entgegen, um der Welt zu geben, was sie zu geben vermag und sich selbst zu üben, das Richtige zu tun. Dankbar erlebt sie die Fülle des Lebens und senkt freudig den Kopf. Ihre Liebe zu ihm ist nur ein kleiner Teil davon - ihr aber der wichtigste. Sanft tasten ihre Finger nach dem metallenen Kleinod.

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Dienstag, 14. August 2018
Bürde
Sorgfältig bestreicht sie ihre Arme und Beine mit feinem, warmen Öl. Die wohlriechende, weiche Haut bedeckt sie anschließend mit frischen Leinentüchern, legt sich auf ihr Lager und schließt die Augen. Sein Amulett wiegt schwer auf ihrer Brust und sie liebt sein Gewicht.

Sie ist ruhig, zufrieden, ohne Angst.

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Sonntag, 12. August 2018
Sie kann ihn nicht loslassen
Vollkommener Friede erwartet sie bereits bei ihrem Erwachen. Erst bemerkt sie ihn nicht, tappst zur Kochstelle und feuert an für heißen Kaffee. Erst später, sie sitzt vor dem großen, weit geöffneten Fenster mit Blick nach draußen in den flaschengrünen, noch stillen Sommer, tröpfelt ihr das große Glück ins Bewusstsein, die Ruhe und Freundlichkeit der Natur rollen ihr vor die Füße, erfüllen die Hütte und umfangen ihr Herz.

Ihre Tour gestern war ihr schwer gefallen, sie ging langsamer als sonst. Einmal endet der Weg, und weil sie partout nicht umkehren will, schlägt sie sich durchs Unterholz und zerkratzt sich am ganzen Körper die Haut, ihre Beine werden von Brennesseln zerstochen. So gelangt sie an einen Wassergraben. Sie zieht einen halb faulen Stamm aus dem Dornengebüsch, lässt ihn ins Wasser fallen und schafft so eine Furt, durch die sie es halbwegs trockenen Fußes auf die andere Seite schafft.

Der Sommer ist hoch. Es ist nicht ganz so heiß wie die anderen Tage, der sandige Boden ist staubig und trocken. Der Wind geht mit lautem Rauschen durch die hohen Wipfel der Pappeln, und die Luft schmeckt nach Salz und Meer. Sie erinnert sich an die Bläue und Endlosigkeit der Ozeane, an deren Küsten sie erstmals gewahr wurde, wie klein eine Ameise tatsächlich ist und dass die Größenrelationen, die sie bislang für wahr gehalten hatte, auch andersherum stimmen können.

Abends schrieb er ihr zurück. Nur kurz, und nur als Reaktion auf ihre Nachricht, aber er tat es.

Sie ist glücklich, wird mit Sicherheit keinen Fehler machen und schreibt ihm in der Nacht eine Antwort.

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Freitag, 10. August 2018
zerschlagener Morgen
Die Knochen wollen betreten nicht anlaufen. Sie ist ruhig, still, wie jeden Morgen.

Ist etwas anders?

Keine Aufregung, kein Schmerz, feine Freude, wenig Hoffnung auf ein wohltuendes Ende, tiefe Liebe, sicheres Vertrauen.

Sie spürt ihre wertvolle Liebe, blank und hell, die sicher nicht morgen enden wird.

Ein prüfender Blick in ihre Mitte, dort ist alles in Ordnung und an seinem Platz, sorgsam legt sie sein Amulett um den schlanken Hals und geht hinaus in den Tag.

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Donnerstag, 9. August 2018
Rückkehr
Ist es bereits ein Jahr her, dass er sich von ihr entfernt hat?

Das Schlimmste mag sie - auch an dieser stillen Stelle - gar nicht schreiben.

Sie hat sich gefangen, lächelt und lacht, hebt nur selten den Blick, und tut es niemals, wenn er in der Nähe ist.

Er meidet sie konsequent. In all den Monaten verirrt sich nur ein einziges Mal das Bild seiner Augen in die ihrigen; seine Augen, in denen sie Mal um Mal versunken war.

Sie hadert und leidet, der Schmerz verringert sich, die Gefühle ertauben. Gleichzeitig liebt sie ihr Leben, ist ruhig und zufrieden, und nach anfänglichem Aufbegehren und heftigen Fluchtversuchen legt sie sein Amulett um, jeden Morgen, wie eine Witwe, ohne Frage nach dem Warum und nach dem Ende.

Und dann kommt der Tag. Es ist Zufall, dass ihr Lebensstart sich jährt, und es kündigte sich an; zaghaft, leise, zögerlich. Erst kann sie es kaum glauben. Eine kleine Nachricht, die sie erreicht, so winzig, dass sie fast an einen Traum denkt.

Doch dann überrollt er sie, wie eine mächtige Welle, sie beide schäumen über, treffen heftig aufeinander, strudeln unter- und übereinander, schleudern herum, bewegen sich zielsicher auf dem schwankenden Terrain.

Noch hat er sie nicht angerührt. Und mittlerweile gibt es Gründe, die ein Anrühren ausschließen.

Sie ist ruhig und aufgeregt zugleich. Sie liebt ihn, unspektakulär, fein, klar. Sie weiß, sie darf ihn nicht an sich heranlassen, und sie weiß, sie ist nicht annähernd in der Lage, ihn abzulehnen.

Angst hat sie nicht, keine Furcht, sie fühlt sich geführt und vertraut ihm blind.
Sie ist glücklich, das Gefühl seines Pulses nah am Herzen zu spüren.

So legt sie sich zur Ruhe, friedlich, glücklich.

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Samstag, 28. Juli 2018
nichts
Durchdringende Hitze lähmt den Sommer. Sie stählt ihren Körper, langsam die Alterung annehmend, findet Linderung auf ihren langen Touren. Die Natur verschluckt sie, sie wird zum Teil von ihr, verliert sich darin und erfährt gleichzeitig Geborgenheit und Anker.

Seine letzte Nachricht liegt ungelesen auf der schweren Küchenplatte herum. Nichts lässt er ihr, nichts, keinen Kontakt, nicht den kleinsten Fitzel, nur Unpersönlichkeit und Leere.

Sie wird sich abfinden müssen.

Sie weiß es ja schon lang.

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Mittwoch, 11. Juli 2018
keine Schmerzen
Heute morgen ist er ganz weg.

Es geht ihr ganz gut.

Unsicher tappt sie durch die leeren Räume ihrer Seele und probiert hier und dort aus, ob es weh tut - nichts.

Vorichtig lächelt sie ein kleines Lächeln.

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Montag, 9. Juli 2018
verloren
Nirgendwo kann sie sich öffnen, kaum vor sich selbst. Über Tag kann sie es verstecken, ignorieren, so tun, als ob nichts wäre. Abends eilt sie nach Hause, und die Schmerzen drängen nach außen.

Sie weint, nimmt sich einen scharfen Trunk aus dem Regal, versucht, sich zu betäuben.

Sie ist verloren.

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Sonntag, 8. Juli 2018
auf ihrem Weg
Bis tief in die Nacht war sie unterwegs gewesen. Die lange Tour hat ihr sehr gut getan, sie spürt deutlich ihre Sehnsucht nach dem Wandern, nach der Natur, nach der Ferne. Vielleicht wird sie doch eines Tages losgehen, die Hütte zurücklassend, die einsame Hütte, ohne Wölfin, ohne Füchsin, alles zurücklassend.

Auf ihrem Weg meidet sie die Menschen, umrundet respektvoll die Tiere, beobachtet, lässt die Gedanken mitwandern, Schritt für Schritt, weitausholend, mit riesiger Freude an der Bewegung, an dem Wunderapparat ihres Körpers, an seiner Gesundheit.

Als der schmale Pfad endet, stiefelt sie weiter, durch das mannshohe Gras; Brennesseln verbrennen ihre bloßen Waden, Disteln ritzen ihre Haut auf.
Einmal überquert sie eine kleine Brücke, die komplett überspannt ist von Spinnennetzen, in denen kapitale schwarze Achtbeinerinnen sitzen; sie schaudert's. Kaum blickt sie nach oben und eilt hinüber. Bereits gemähte Wiesen erleichtern ihren Gang. Sie orientiert sich an dem roten Schein der bereits untergegangenen Sonne, am hell strahlenden Abendstern und an dem Lauf eines Flüsschens. Zu dem will sie sich wieder wenden am Ende einer bereits abgeernteten Weidefläche, und trifft unvermittelt auf lagernde Männer. Sie umschleicht den Ort leise, kein knackender Ast unter ihren Füßen verrät ihre Nähe.

Spät, sehr spät erreicht sie heimische Gefilde, und ihr wird leichter ums Herz. Gespannten Schritts läuft sie dem Zuhause entgegen, dem ersehnten, nun ist sie froh, dass sie sie hat, die Hütte.

Tief und ungestört fällt sie in Schlaf, eingekuschtelt in weichste Kissen und Federn, glücklich.

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Samstag, 7. Juli 2018
es geht ihr gut
Ein herrlicher Morgen beginnt. Im Dunkel der Anderwelt wurde ihr Erholung, Leere und Fülle zugleich - Leben - zuteil. Der Tag wird von der hellsten Sonne königlich geschmückt und steht fast beiläufig da wie das Paradies selbst.

Es geht ihr gut. Ihre Gefühle hat sie sorgfältig untergepflügt, keine Schmerzen gelangen an einen Nerv. Sie hat ihn über weite Zeitstrecken vergessen. Das tut ihr sehr gut, sie erlebt Erholung und Linderung. Pläne, Freude, Ausgehen, viel Lachen - es geht ihr gut.

Sie fürchtet das neue Aufeinandertreffen. Schnell ruft sie sich zur Ordnung, versteckt die Gedanken, es wird möglicherweise gar nicht schlimm.

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Donnerstag, 5. Juli 2018
höchster Punkt
Es geht ihr gut. Sie hat ihn nicht wieder gesehen, seit dem letzten Mal, und das tut ihr gut. Die Sonne steht heiß und höchst am Himmel, gleißend, kein Dunkel lassend.

Sie hat sich alles verboten, taub, ruhig, fein.

Bald wird sie ihn wieder näher haben, ein wenig fürchtet sie den Tag. Es tut ihr gut, der Abstand.

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Montag, 2. Juli 2018
dummes Ding!
Sie hat ihn lange nicht gesehen und das tut ihr augenscheinlich gut. Andere Dinge treten in den Vordergrund, und sein Strahlen in ihrem Herzen verblasst.

Umso heftiger trifft sie seine Ansprache - die komplett unpersönlich ist.

Auch sie ist nichts besonderes unter den Wesen des Universums; auch ihre Liebe wird sich dem Diktat der Zeit beugen müssen, mag ihr Sehnen nach Geschwindigkeit oder Zähflüssigkeit verlangen.

Sie senkt den Kopf und wendet sich ärgerlich gegen ihre eigenen Tränen; dummes Ding!

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Sonntag, 1. Juli 2018
Askese
Zwar war sie in der Nacht ein paar Mal erwacht und Gedanken polterten plump durch ihr Haus, aber jedesmal war sie sofort gesegnet entschlummert und ist nun erholt - nicht frisch. Zufrieden - nicht glücklich.

Sie geht hinaus in den strahlenden Tag, dem als Hintergrundmusik ein gleichmäßiges Raunen des Waldes dient - fast wie Meeresrauschen umfängt es die Sinne aller, von Mensch und Tier. Sie erntet das erste Gemüse. Prall, grün, nahrhaft und lecker strahlen sie Gottes Früchte an und ein kleines bisschen Glück breitet sich doch in ihr aus.

Weiter hebt sie nicht ihren Blick, und sie meidet die Menschen.

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Samstag, 30. Juni 2018
müd
Ölig ockerfarbene Baumwipfel, dunkelgrüne Tannenköpfe, wie mahnende Finger schon im Schatten stehend, abkühlende Abendluft. Sie hat sich müde gearbeitet.
Später streift sie durch Wald und Flur. Es ist noch nicht Juli, das Korn liegt schon geschnitten am Boden und verströmt den warmfeuchten Geruch von feuchtem Stroh.

Letztes Jahr um diese Zeit lag sie glückserfüllt mit der Nase an seiner Haut.

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Fortgang
Frieden wabert in der Sommerhitze um die Hütte. Ihre Gedanken sind noch klebrig und zäh, ihr Körper wird nur langsam geschmeidig, und sie lässt sich die Zeit. Heißer Kaffee läuft durch die Gänge und Räume ihres Ich's und ruft und lockt alle Geister an ihren Platz.

Die Vögel erfüllen die Welt mit einen lieben und geschäftigen Grundgeräusch, das Bellen eines wohl großen Hundes weht von einem der Nachbargehöfte herüber, eine ärgerliche Amsel versucht, einen Eindringling wegzutschilpen, ein brummendes Geräusch in der Ferne lässt ahnen, dass sie nicht allein in diesem Landstrich lebt.

Sie zählt nicht mehr die Tage, und hat perfekt durchgehalten. Alle Gefühle sind komplett blockiert und weggesperrt. Nur rationale Erwägungen gelangen in ihr Gehirn, jeder Impuls von Emotionalität wird strikt unterbunden.

Heute morgen zieht sie Bilanz und sieht vorsichtig nach, ob die Liebe noch lebt.

Und das tut sie. Alles ist unverändert.

Leise schließt sie wieder die Tür, dreht den Schlüssel im Schloss und wendet sich dem Tag zu.

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