Donnerstag, 9. August 2018
Rückkehr
Ist es bereits ein Jahr her, dass er sich von ihr entfernt hat?

Das Schlimmste mag sie - auch an dieser stillen Stelle - gar nicht schreiben.

Sie hat sich gefangen, lächelt und lacht, hebt nur selten den Blick, und tut es niemals, wenn er in der Nähe ist.

Er meidet sie konsequent. In all den Monaten verirrt sich nur ein einziges Mal das Bild seiner Augen in die ihrigen; seine Augen, in denen sie Mal um Mal versunken war.

Sie hadert und leidet, der Schmerz verringert sich, die Gefühle ertauben. Gleichzeitig liebt sie ihr Leben, ist ruhig und zufrieden, und nach anfänglichem Aufbegehren und heftigen Fluchtversuchen legt sie sein Amulett um, jeden Morgen, wie eine Witwe, ohne Frage nach dem Warum und nach dem Ende.

Und dann kommt der Tag. Es ist Zufall, dass ihr Lebensstart sich jährt, und es kündigte sich an; zaghaft, leise, zögerlich. Erst kann sie es kaum glauben. Eine kleine Nachricht, die sie erreicht, so winzig, dass sie fast an einen Traum denkt.

Doch dann überrollt er sie, wie eine mächtige Welle, sie beide schäumen über, treffen heftig aufeinander, strudeln unter- und übereinander, schleudern herum, bewegen sich zielsicher auf dem schwankenden Terrain.

Noch hat er sie nicht angerührt. Und mittlerweile gibt es Gründe, die ein Anrühren ausschließen.

Sie ist ruhig und aufgeregt zugleich. Sie liebt ihn, unspektakulär, fein, klar. Sie weiß, sie darf ihn nicht an sich heranlassen, und sie weiß, sie ist nicht annähernd in der Lage, ihn abzulehnen.

Angst hat sie nicht, keine Furcht, sie fühlt sich geführt und vertraut ihm blind.
Sie ist glücklich, das Gefühl seines Pulses nah am Herzen zu spüren.

So legt sie sich zur Ruhe, friedlich, glücklich.

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