Über ihr liegt eine wattige, leicht curryfarbene Wolkendecke. Am Horizont reißt das glutvolle Versprechen des Paradieses lange Risse in die füllige Schicht, Sonnenstrahlen schlüpfen hindurch und beleuchten die dicke Wattehülle von unten.
Dann gelangt er doch zu ihr, in ihr Herz, in ihre Gedanken. Schmerzen verspürt sie keine. Sie hat sich erneut zurückgezogen und das ist das Richtige für sie.
Wenn er schreiben würde, würde sie ihm immer noch nicht widerstehen können. Aber vielleicht schreibt er ihr nicht mehr. Wie oft hatten sie dieses Szenario schon durchwandert? Tausendmal?
Sie fragt sich nach ihrer Lernaufgabe.
Bestimmend verweist die Sonne den grauen Belag auf seinen Platz; der wiederum quillt unmerklich immer wieder über ihr Gesicht. Ein machtvolles Duell der Giganten.
Sie trinkt heißen Kaffee in kleinen Schlückchen, um sich nicht zu verbrennen, und spürt die feine, kraftvolle Energie in ihren Lebensbahnen. Sie wird sich praktisch und hübsch kleiden und ihr Werk vollbringen, stetig und strukturiert, unbestechlich mit einer Ausnahme.
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Er will ihr wohl auf eine friedliche und freundschaftliche Art entgegentreten. Das scheint ihr auch angemessen und logisch; tut ihr aber nicht gut, dessen ist sie erneut sicher.
Wie sie diesen Plan umsetzt, weiß sie noch nicht: lässt sie ihn einfach ins Leere laufen? Oder bittet sie ihn wieder, ihr aus dem Weg zu gehen. Ist auch irrelevant, merkt sie, wichtig ist: sie hat eine Möglichkeit, die Dinge für sich gut zu gestalten.
Mit neuem Mut blickt sie auf ihr Leben und sieht nur schöne Dinge.
'Was aber, sollte er erneut zu ihr kommen wollen' flüstert ein dünnes Stimmchen in ihrem Ohr. Das weiß sie nicht. Sie hofft, dass dieser Traum endlich ein Ende findet.
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Er will und ist mit Macht weggegangen. Auch wenn sie die Chance vermutet, und auch wenn sie nicht zusammenbricht, es schmerzt und ihr Herz fühlt sich auf eine schmerzhafte Weise leer und hohl an.
Sie lässt das Gefühl zu, widersteht dem Wunsch, ihm eine Nachricht zu schicken und trinkt einen Schluck. Wenn sie morgen um die gleiche Tageszeit immer noch den gleichen Drang verspürt, ihm zu schreiben, dann wird sie es tun.
Sein Amulett lastet unangenehm auf ihrer Brust, erinnert sie in jeder Minute an ihre Gefangenschaft. Sie nimmt es ab.
Müde und unsicher hebt sie den Blick in die einsame Zukunft. Sie darf sich nicht beklagen, das weiß sie; traurig ist sie trotzdem.
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Er war nicht g a n z weg.
Früher hatte sie ihm einmal gesagt, was sie so sehr fürchtet: dass er ganz weg sei.
Er war zwar gegangen, aber ganz weg gehen konnte er nicht mehr.
vermeintliche Trennung
Die Worte flüstern sich leise in ihr drin.
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Eine gute Zeit umgibt sie, freundliche und friedliche Gespräche mit ihrer Mutter erfüllen ihr Herz.
Es geht ihr gut. Sie hadert mit nichts.
Nichts ist fertig, nichts ist vollkommen, alles ist im Wandel, das meiste ist unklar.
Anlässlich eines Ereignisses hat sie den spontanen Impuls, ihm eine Nachricht zukommen zu lassen. Sie unterdrückt den Wunsch und geht weiter.
In einer Unterredung mit ihrer Mutter meint sie zu bemerken, sterben zu können, sollte es Not tun. Auch wenn sie nicht weiß, ob das eine rechte Realität ist, begrüßt sie das Gefühl und diesen Gedanken.
Manchmal weint sie.
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Sie kocht sich Kaffee. Es geht ihr um ein vielfaches besser. Alles wird sehr gut werden. Sein Wegsein wird ihr nichts anhaben können, sie ist eine Sphinx.
Die Sonne verlangt unnachgiebig nach dem ihr zustehenden Platz und versucht, den Schleier wegzustrahlen. Die feinen Tröpfchenvorhänge sträuben sich und weichen nur murrend.
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Es geht ihr gut, viele Tränen sind geflossen, sie ist ein wenig haltlos, ein dumpfes Gefühl geht von ihrem Herzen aus.
In ihr entstehen Szenarien, in denen er durch die Tür kommt, sie erinnert seinen Blick, der sie heute nacht im Traum berührte, und auch erwägt sie seine schlussendliche Kälte.
Alle Zustände ziehen durch ihr transparentes Selbst hindurch, sie ist ein Nebel, ein Schatten.
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Sie liebt ihn wie immer, Schmerzen und Trauer sind nach wie vor da, sie würde es lieben, wenn er bei ihr wäre, will er aber an einem anderen Ort sein, so wünscht sie sein Glück an diesem Ort. Ihr Glück wird nicht geschmälert.
Sehr heißer, starker Kaffee rinnt durch ihre Kehle. Sie ist leicht geschwächt und wird sich nicht über Gebühr fordern, auf sich achten und sich stärken. Noch mehr als sonst wird ihr Augenmerk bei der Auswahl der Dinge darauf liegen: was tut ihr gut? Was will sie tun?
Wenn Tränen kommen, wird sie weinen. Im Moment sind keine Tränen da.
Auch dieser Tag schiebt Minute um Minute durch die Zeit. Sie reiht sich ein in die Schlange auf dem Weg in die Zukunft und überlässt sich dem Leben.
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Sie benützt das edle, hauchdünne Glas aus dem Hausstand ihrer alten Tante. Der schwere Geist des kostbaren Trunks berührt ihren Geruchssinn. Ihre Gedanken sind zäh, wie gelähmt, ihre Bewegungen hölzern, wie in Trance. Vom Weinen müde schmeckt sie das herbe Aroma des Rotlings auf ihrer Zunge, oder das Salz ihrer Trauer.
Sie ist gesegneter als der mächtigste Herrscher auf Erden, und glücklicher als alle Menschen dieser Welt. Ihre Kinder sind gesund, sie hat alles, was sie braucht. Sie liebt; sie wird sich in keinem Fall über irgendetwas beklagen.
Sie spürt, dass sie ihr Herz nicht bei ihm abholen kann und seufzt und fügt sich. Ein ums andere Mal bleibt sie stehen, wo sie ist.
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Der Schmerz trifft sie heftig. Gleichzeitig denkt sie: jetzt kann es voran gehen. Erst jetzt. Jetzt endlich.
Während des Tages wahrt sie ihr Gesicht.
Abends auf dem Weg zur Hütte spürt sie ein Verlangen, ihren eigenen Körper zu verletzen. Sie reflektiert, dass sie viele Jahrzehnte zählt und dieses Begehr noch niemals fühlte.
Abends löst sich die Verzweiflung und sie weint bitterlich, zerreißendes Schluchzen bahnt sich seinen Weg. Sie streift sein Amulett ab, brüht sich einen feinen Tee auf, schlüpft in anschmiegsame, wärmende Kleidung, feuert an, zündet sich ein Licht an. Sie tunkt ihre Seele in den Schmerz hinein, lässt sich fallen in die Not und überlässt sich vollends der Trauer.
So hat sie immer gehandelt in Zeiten der Pein und so war es gut und heilsam.
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Er lacht als Antwort und gibt ihr eine nette, fast flapsige Antwort. Dann setzt er seinen Weg fort. Sie sieht ihm lange nach.
So würde sie alt werden. Aufrecht, entspannt, nicht in Eile, und auch nicht müde.
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Entkräftet überlasst sie es völlig ihm, zu entscheiden und gießt sich Wachheit in ihr Bewusstsein, mit schwarzem Elixier, das sie reinlocken soll ins Leben. Matt erwartet sie den Tag.
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Ihre Schwester, die, durch die sie erzogen, gehalten, ermahnt, begleitet und gesichert wurde, ein Leben lang, bittet und fordert sie, und sie kann helfen. Sie gibt mit vollen Händen hin, alles, was ihr möglich ist. Und es ist genug, ausreichend, die Schwester zu stärken und zu entlohnen, mit Herz und Zins und allem, was gebraucht und nötig ist. Dankbar neigt sie Haupt und Herz, glücklich über die Chance.
Er ist schon lange nicht mehr zu ihr gekommen. Ohne Worte nimmt sie seine Bedrängnis auf, ängstigt sich jedoch nicht.
Mit einem Herz voller Liebe schließt sie sich ein und sammelt Kraft aus ihren inneren Seen, die still, vollkommen eben und schillernd vor ihr liegen.
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Sie hat noch die Aufgabe, in der Gemeinschaft Dienst zu tun.
Dem Wolf gegenüber nimmt sie eine starke Position ein, das fühlt sie. Er tritt friedlich, und nicht gefestigt auf, so dass sie wartend und abwartend die von ihm benötigte Distanz einhält. Er hat sie beobachtend im Blick, und rührt sich nicht.
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Sie fühlt sich hilflos und unsicher, hat keine Handhabe und verliert so den Mut.
Sie wird möglichst wenig arbeiten, nimmt sie sich vor.
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In ihrer Schwäche spürt sie ihr Gefühl der Sehnsucht nach ihm, sein Arm fehlt ihr. Traurig hofft sie auf seine Nachricht.
Der Wein breitet sich in ihr aus und entspannt sie.
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Ohne bewusst daran zu denken bemerkt sie, dass ihr Herz angefüllt ist, es ist alles, wie es sein soll. Ein Atemzug macht ihr Paradies perfekt.
Sie nimmt noch einen Schluck und erwägt, den Tag beginnen zu lassen.
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Sie ist glücklich und zugegebenermaßen auch beruhigt. Alles ist schön.
Wie immer beginnt sie, auf ihn zu warten. Nur feine Sehnsucht ist ihr Begleiter, Angst ist nicht dabei.
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Es ist nicht mehr ganz so hell wie noch vor 14 Nächten um diese Zeit; der Zenit des Sommers ist überschritten. Der nahende Herbst macht ihr keine Sorgen und auch der sichere Tod dieses Jahres nicht. Sie fühlt sich sorgsam gebettet in den Lauf der Dinge und liebevoll gehalten und begleitet von Glück und Liebe.
Und erstmal gilt es, laue Sommernächte und unendlich dauernde Küsse zu erleben. Still und geschlossen beginnt sie den Tag.
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Sie denkt sich ihn nah zu sich heran und bemerkt dabei, dass es nicht nötig ist, dass er genau zu diesem Zeitpunkt da ist. Alles ist gut und friedlich und rund, wie es ist. Er fehlt nicht, ist nah genug und wird noch näher sein, wenn er zu ihr kommt.
Ja, sie wünscht sich, dass sie lange zusammen sind, und vielleicht, dass sie auch andere Dinge miteinander teilen. Mehr Nähe muss es nicht sein.
Sie hat sehr viel Neues von ihm gelernt. Und einiges Kluges. Das mag damit zusammenhängen, dass er einiges in sich trägt, das er sie lehren kann. Und damit, dass sie aufmerksam und hörend ist, es zu erlernen.
Sie neigt ihren Kopf und beginnt den Tag.
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