Samstag, 5. August 2023
Wolfes Geist
Die zurückliegenden Wochen haben ihr einiges abverlangt. Sie hat gut gehaushaltet mit Kräften und Nerven, ist zwar erschöpft, wird aber heilen und sich erholen, das spürt sie. Ein Anfang ist ihr erst spätes Erwachen, der Tag hat längst begonnen, und sie fließt ein in die geschäftige Stille und Harmonie der Ländlichkeit. Noch immer trägt sie in sich die Liebe und das Glück des letzten Zusammenseins mit dem Wolf. Worte und Gesprächsthemen widerhallen in ihr nach, seine Umarmung umfängt sie, auch jetzt noch, wo er längst weg ist.

Eine Wildbiene besucht sie durch ein weitgeöffnetes Fenster und summt hinein gemeinsam mit der Sommerfülle mit Sonnenluft und tausend Vogelstimmen. Manchmal verweht ein Geräusch aus der Siedlung hin zu ihrer Hütte, hintergründig, fast ein wenig geisterhaft, und berichtet von den in einiger Entfernung wohnenden Menschen und ihrem Alltag.

Der Wolf hat eine schwere Wolljacke bei ihr gelassen. Es ist durchwirkt von seinem Geruch, und sie kennt ihn gut genug, um seine Motive zu erahnen. Am Abend seines Weggangs schlüpft sie hinein und wird umfangen, und manches Mal schläft sie selig in der Nacht mit seiner Nähe.

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Samstag, 29. Juli 2023
Seligkeit
Endlich, endlich liegt sein vertrautes Briefchen in ihrem Weidenkörbchen, mit nur knappen Worten kündigt er sich an.
Mal hatte sie sich gefragt, ob es möglich sein könnte, dass er niemals wieder kommt, mal wartete sie einfach ergeben, immer geerdet und zuversichtlich in ihren Gefühlen.
Sie freut sich auf ihn, wünscht für sie beide eine wunderbare Liebesbegegnung, spürt die Kraft, die von ihren Gedanken an ihn ausgeht.
Am Tag vor seinem Eintreffen erwacht sie viel zu früh, der Störmond vertreibt sie aus seinem Land; sie wird wandern gehen. Schnell ist heißer Kaffee gekocht und die Parzelle gewässert. Der Lachvogel ist ganz in der Nähe und übertönt fast die Jagdschreie der Bussarde.

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Freitag, 7. Juli 2023
Suche
Abends, gleich nach ihrer Rückkehr aus dem Moor, mäht sie die Wiese am Haus, breitet die duftenden Halme und Kräuter sorgsam aus für die Sonne am kommenden Morgen.
Wieder schläft sie lang in den Tag hinein, keine Pflichten im Moor warten auf sie. Noch vor dem heißen Morgengetränk wässert sie draußen alle Blumen und Pflanzen, und riecht die Arbeit der Sonne und den köstlichen Geruch vom Heu.

Ja, die täglichen Pflichten und Strukturen begleiten sie durch ein wunderbares Leben. Die Natur versorgt sie reich mit Köstlichkeiten, ihr Leib und Seele sind gesund und stark, die Menschen mögen sie und schließen sie in die Vereinbarungen der Gemeinschaft mit ein. Sie hat sehr viele Taler, die schon lange nicht mehr in einen Tonkrug hineinpassen. Ihre Eltern sind gesund, Kinder sind wohlgeraten und gut integriert. Schöne und interessante Aufgaben, im Moor und auch die unbezahlten, fordern und erfreuen sie. Und ja, sie denkt über das wiederkehrende Einerlei nach. Was wird sie tun die nächsten - so Gott will - Jahrzehnte? Immer dasselbe?
Ist es der Wolf, der ihr fehlt? Was müsste sich ändern, um das Gefühl der Langeweile zu verscheuchen? Ist sie ein Esel, dem es zu gut geht? Wird sie sich, falls eine Krankheit sie heimsucht, für ihre Gedanken schämen und schelten?

Sie wünscht sich Geschehnisse. Forderung. Vielleicht etwas Neues. Oder etwas anderes.
Gleichzeitig schätzt sie die Wohlhabenheit, die Fülle, die Bequemlichkeit.
Was sind ihre PLÄNE? So fortfahren wie bisher, weiter und weiter?

Es tut ihr gut, die Fragen auszuformulieren, sie anzusehen, ihnen einen Platz einzuräumen, vielleicht später zuzuweisen.
Sie erinnert sich an frühere Antworten, und auch die Fragen sind ihr nicht unbekannt. Lange vor ihrer Mutterschaft sind sie ihr bereits einmal ähnlich begegnet. Fürs Erste nimmt sie sich vor, sie nicht (wieder) zu vergessen, sie nicht wegzuschieben, und, so Gott sie auf seinem Plan sieht, zu beantworten.
Sie verzieht ihr Gesicht, und greift zum Kaffee.

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Sonntag, 25. Juni 2023
still
Es ist bereits heiß, sie schläft ungewöhnlich lang in den Tag hinein. Die Hitze trägt das Rufen des Kuckucks aus weiter Ferne herüber.

Der Wolf ist stumm. Auf eine kleine Nachricht hin erhält sie keine Antwort.

Sorge ist ohne Sinn, grundsätzlich und auch in diesem Fall.

Der Wolf fehlt der Katze. Manchmal spürt sie diesem Gefühl nach.

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Samstag, 17. Juni 2023
Zeitenleere
Sie erwacht in gewohnter Frühe und gleitet noch einmal zurück ins Land der Anderwelt, für weitere zwei Horen. Erst dann rollt sie sich unter dem leichten Plaid hervor, lässt die Fenster, auf denen die Sonne steht, halb bedeckt mit dunklem schweren Tuch, kocht sich Kaffee lässt sich mit bloßen Füßen am Tisch nieder - zum Wachwerden.

Von draußen schallen die Rufe und das Gezwitscher der vielen verschiedenen Federwesen herein, die meisten erkennt sie an ihrer Sprache. Schon gestern fiel ihr das aufgeregte Geschnatter von Neuankömmlingen auf - eine Gänsefamilie hat in einiger Entfernung Quartier genommen.

Alle Pflichten liegen hinter ihr. Der Garten ist bestellt und gewässert, zwei Kinder eines Walnussbaums, die sie vom Lebensmenschen erhalten hat sind eingebracht. Karren und der kleine Hof sind geschrubbt und sauber gefegt. Sowohl ihrer wie auch der Haushalt von dem alten Herrn sind verrichtet, samt Wäsche und Vorkochen einiger Mahlzeiten für den Alten. Sie war im Dorf, beim Bäcker, beim Gewürzkrämer und bei den Händlern und hat die wenigen Notwendigkeiten für sich zur Hütte getragen und verstaut. Abends hat sie alle Schreib- und Bucharbeiten erledigt und sich für ihr Mahl die bereits tiefroten Früchte, die sie sich mit vielen hungrigen Schnäbeln teilt, als frische Süßigkeit dazugeholt.

Nun liegt der neue Tag, den sie zögerlich betritt, frei vor ihr. Sie wird weitere Ernten einbringen, zum Einkochen und für den Kuchen für ihre Sonntagsgäste. Weitere Pläne fasst sie nicht, sie liebt diese Freiheit und die Leere der Zeit.

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Freitag, 16. Juni 2023
Katzengästin
Gut und lange schläft sie in den Morgen hinein. Noch etwas benommen tappt sie zur kalten Rußstelle hin, verräumt die irdenen Krüge und tönernen Teller ihres Mahls vom Abend, feuert an, erwägt eine Nachricht an den Wolf, von dem ihr zugetragen wurde, dass er krank ist, verwirft den Gedanken wieder und vertraut auf ihre sinnliche Verbindung übers Anderland. Ihr Blick fällt auf die kraftvoll wachsenden und sauber gestutzten Kräuter, die sie liebevoll auf einem Fensterbrett zieht. Allein der Anblick erfüllt sie mit tiefem Frieden und lässt sie ihre feste Erdung spüren.

Draußen sammeln und picken alle gefiederten Bürger die noch nicht vollständig reifen sauren Kirschen vom Baum. Nur einige Äste hat sie vor den wilden Schnäbeln verborgen, dort reifen die Früchte zu tiefer Röte aus für ihre leckeren saftigen Kuchen.

Der Tag wartet geduldig auf ihre Ankunft. Mit einladenden Gesten bestimmt er sanft die Aufgaben und Geschehnisse.
Sie trinkt Kaffee.

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Samstag, 3. Juni 2023
Katzes Leben
Die nächtliche Arbeit im gemeinschaftlichen Bündnis gelingt ihr gut, und sie schläft tief bis in den Nachmittag hinein. Starker Kaffee, sommerliches Rauschen und eine feine Friedlichkeit eskortieren sie in den Tag.

Der Wolf und sie sind fest verbunden, so spürt sie es. Ihre Liason nimmt nur wenig Raum ein, sie ist hintergründig und wenig auffällig -aber maßgeblich, grundlegend und ursprünglich.

Wie so oft beugt sie sich seinen Vorgaben, spürt deren Wahrheit, fragt sich nichts, und blickt versunken in des Sommers Grün.

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Donnerstag, 1. Juni 2023
Wolfes Plan
Sie sind verbunden, und seine schmeichelnden Worte locken sie heimwärts zur Hütte hin. Obwohl er ihr nicht viel Zeit einräumen will, liegen sie lange Stunden zusammen, er lässt nicht nach sie zu küssen, und vielleicht ist die knappe Zeit der Grund für ihre besondere Leidenschaft, die sie schon fast vergessen hat.

Sie fühlt sich herrlich, hält die Zeit an, zieht sich mit feinen Speisen und trockenem Wein zurück in eine märchenhafte Anderwelt, in der der Wolf Gast sein darf.

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Montag, 29. Mai 2023
Reise
Sie bricht spät auf auf ihre Reise zum alten Vater. Die Entfernung verlangt ohnehin zwei Tage Reisedauer, so startet sie erst am Vormittag, mit umsichtig gepacktem Säckel, nicht zu schwer und doch mit allem Notwendigen befüllt.
Der Tag verspricht das beste Walzwetter, keine Wolke kreuzt den himmlischen Weg, frischer Wind sorgt für Kühlung und Frische, und erst gegen Abend steigen die Temperaturen auf sommerliche Grade.
Sie geht fleißig, rastet nur für ein kurzes Mahl, gönnt sich keine Labung, schreitet frisch und stetig voran. Vom Abend an meidet sie die Menschen und verbirgt sich vor allen Blicken. An einem Bachlauf, zwischen zwei Feldern ohne Pfad, verborgen im hohen Gras wie ein Kitz, positioniert sie ihr Lager.

In der Nacht legt sich ein schwerer Tau auf das Land und durchweicht Wams und Schuhe. Mit dem ersten fahlen Licht steht sie wieder auf, schnürt ihr Tuch und setzt, mit klammen Fingern und schmerzenden Gliedern, ihren Weg fort. Mystische Nebel umfangen sie, verschlucken ihr Herz, sie ziehen ihr Sein in ihre mächtige Welt.

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Samstag, 20. Mai 2023
Besucherin
Still und von diesem hellen Grün des jungen erwachenden Sommers liegt die Anderwelt da, unbegreifbar und zauberhaft. Sie wandelt durch seine Gänge, die Alleen und Hohlwege, sammelt die frühen Früchte und schöpft Luft, immer von der Versuchung und Sehnsucht gezogen, zu versinken und endgültig zu verschwinden, einzutauchen ohne Wiederkehr.
Doch die Wächter des Lebens kreuzen ihre Speere, und so sie trottet zurück, ordnet ihre Dinge und nimmt den erneuten Zugang über die gleichbleibende Erledigung aller Alltagsaufgaben.

Des Wolfes Geist bleibt an ihrer Seite, dankbar drückt sie seine Hand.

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Donnerstag, 18. Mai 2023
Schwebe
Sie ist müde, als er die Hütte betritt, etwas geschwächt und ohne feste Verbindung zum Boden. Er liebt sie, stark, bestimmend, nach seiner Struktur, und sie lässt sich ein, auch, weil sie keine Kraft hat, etwas entgegenzusetzen. Er achtet und trägt und verwöhnt sie, und sorgt für ihr und sein Glück.

Später versuchen sie, die lange Pause aufzuholen, und in kurzer Zeit gelingt das mäßig.
Sie ist unsicher, wie sie einschlafen soll, noch lange nachdem die leere Nacht längst eingezogen ist.

Erst am Morgen findet sie Stand und Stärke wieder, und beruhigt sich etwas. Sie sendet ihm zwei Nachrichten, dann verschließt sie die Anderwelt für alles, was dort nicht heimisch ist.

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Freitag, 12. Mai 2023
Maitag
Bis weit in den Morgen hinein wird sie von einem verschlafenen Land beherbergt mit all seinen Nebeln und Träumen, fest und tief. Spät steht sie auf, ohne bewusst zu spüren, wie gesund und stark sie ist. Kaffee wird gebraut, das Feuer muss nicht geschürt werden, so warm ist der Maitag.

Es dauert eine geraume Zeit, bis ihre Geister nachziehen, sie spürt etwas Wichtiges, das die Momente beseelt, doch erfasst nicht, was es ist. Nur langsam stellen sich Gefühle und Denken ein. Glück ist es wohl, das sich in der Hütte befindet und um Aufmerksamkeit buhlt, Stille und Frieden, Reichtum und Versorgtheit, Fülle.

Die Arbeit im Moor liegt für diese Woche hinter ihr. Sie liebt diesen zusätzlichen freien Tag, der ihre Welt fast in zwei teilt - eine arbeitsame, getaktete, voller Tatsachen und Herausforderungen, in der sie sich beweisen und verausgaben kann, und eine der Anderwelt, in der Zeit und Kosmos sich verändern und sie aufnehmen und führen. Heute beginnt sie, die Kreisin, und sie freut sich darauf.

Eine Nachricht des Wolfes führt sie nicht zusammen. Sie belässt diesen Herzensteil im Dornröschenschlaf, hütet und sorgt ihn und lächelt unmerklich.

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Donnerstag, 4. Mai 2023
Antwort oder Frage
Die Zeit trippelt vor sich hin, springt ein wenig nach links, tänzelt nach rechts... Worte und Temperaturen wechseln sich ab, Frühlingsluft senkt sich still auf die Welt.

Der Wolf ist nicht da.

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Samstag, 8. April 2023
Herzensfrauen
Die Magd aus gemeinsamen jungen Jahren trifft ein. Als wären sie niemals getrennt begrüßen sie sich herzlich und ruhig - so als hätten sie sich am Vortag letztmalig gesehen.
Den ganzen Morgen hatte sie gekocht und gebacken und Teige angerührt; auch an den heiligen Tagen erwartet sie Besuch, zum Austrieb der winterlichen Geister.

Sie setzen sich nieder zu einer nachmittäglichen Süßigkeit, und geleiten einander - übergangslos - in eine gemeinsame Welt, die wunderbar und unverändert ihnen offensteht. Ein kurzer Gang in die Natur, ein frisches Abendmahl, und viele Worte und Geschichten lassen die Zeit fliegen, und sie selbst fliegen von ihnen selbst unbemerkt mit.

Auch über den Wolf kommen sie zu sprechen, hie und da. Wie ist ihre Haltung, was denkt sie über den Wolfskatzenplatz in der Welt? Es tut ihr gut, zu sprechen, und ihre Gedanken sichtbar zu machen; sie nimmt die Bilder schätzend an.

Ein schlichtes Nachtlager für die Freundin ist auch in der kleinen Hütte bequem hergerichtet, und beide schlafen tief und bis in den Tagesbeginn hinein. Eine Wahlverbindung, zart und leicht, und fester als irdische Fäden und Seile zu sein vermögen.

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