Freitag, 23. November 2018
Tiefe
Draußen ist es kalt. Sie kehrt heim aus dem Wald, auf ihrem Weg durch das Dunkle, mit roter Nase und klammen Fingern.

Sie ist bis in die Tiefe ihres Inneren ruhig.

Sein Geruch umfängt sie; wenn sie ihn ruft, steht er an ihrer Seite.


Die Hütte heißt sie sicher willkommen. Sie entzündet alle Lichter, feuert an, hängt den Kessel über die Feuerstelle, weicht Tücher und Kleidung in Waschlauge ein und verräumt Fleisch und Brot aus ihrem Korb. Der kräftige Duft von frischem Tee beseelt den Raum und Wärme breitet sich aus.

Sie nimmt das feine Porzellan für den heißen, süßen Tee und lässt sich vor dem Feuer nieder, genießt ihr feines Glück.

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Mittwoch, 21. November 2018
Wölfin
Sie empfängt seine Nachrichten. Er kommt zu ihr, küsst sie gedankenverloren, sie lieben sich. Er bleibt, gewährt ihnen beiden Liebe, Ruhe, Stille, Haut, Küsse, zähfließende Zeit.

Ihre Gedanken sinken auf den modrigen Boden des Friedenssees, ihr Kopf genießt den freien Raum, die Glieder sind träge und faul, ihre Lider schließen sich halb.

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Sonntag, 18. November 2018
zu heller Schein
Sie sitzt im Dunklen.

Der halbe Mond drängt sich ihr aufdringlich auf.

Nachdenklich streicht sie über die blankgescheuerte Tischplatte.

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Schrift
Heute sollte der Tag sein.

Am Vortag legt sie das Amulett sorgsam in ihre kleine Schatulle mit den Edelsteinen. Sie entfernt das geheime Zeichen zwischen ihnen beiden, das immer anzeigte, dass sie zu ihm gehört und verwehrt ihm den Zutritt. Kein Zutritt zur Hütte, kein Zutritt um Briefchen zu hinterlassen.

Vielleicht ist die Zeit nun endlich um. Tag eins.

Die herbstliche Sonne bescheint ihren Weg am Waldrand entlang. Es ist schneidend kalt, doch sie hat sich in warme Stoffe und Ponchos gehüllt. Ab und an bückt sie sich und nimmt eine Eichel auf, später ein leichtes, aus einem Bauwerk losgelöstes Steinchen. Die Stunden, die sie draußen verbringt, bemächtigen sich ihrer Gedanken und sie erkennt ein paar Kapitelnamen.

Die dingliche Seite des Lebens und ihre Kuriositäten

Die Anderwelt

Die Verbindung

Durchgefroren kehrt sie zur Hütte zurück und feuert an.

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Montag, 5. November 2018
Fehler
Ausgeschlafen und seit langem schmerzfrei schwingt sie sich in den Tag. Bereits am Vorabend stahlen sich ihre Gedanken zu den täglichen Geschehnissen im Wald; sie wird ihn wiedersehen und - das ist das Wichtigere - sie wird ihren Blick in seinen richten können.

Sorgfältig wählt sie ihre Kleidung aus und badet und kämmt sich liebevoll.

Kürzlich las sie einen Text über Komplementärnarzissmus. Schon vor einem Jahrzehnt wurde sie gewahr, dass sie eher dieser Menschengruppe zuzuordnen ist. Sie wird mittlerweile von dem Wissen darum und ihrer Entwicklung stabil getragen. Heute morgen fragt sie sich erneut, ob und inwiefern auch ihre Geschichte mit ihm von ihrer Art geprägt ist.

Sie überlässt sich wieder ihrer Intuition, vertrauensvoll und willens, die richtigen Dinge zu tun und auch die Fehler.

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Wanderung
Viel Arbeit liegt hinter ihr; obwohl, es war nicht mehr Arbeit gewesen als üblich, viel Arbeit, doch sie ist schneller erschöpft gewesen. Abends sinkt sie ohne jede weitere Tätigkeit auf ihr Bett und erwacht morgens früh, oft noch matt in Körper und Geist.

Endlich, endlich findet sie Zeit und Kraft für eine Wanderung. Mit nur dem nötigsten, ohne Säckel und Tasche, läuft sie los. Es ist kühl; kühler als sie erwartet hat. Sie wird mehr Kleidung anlegen müssen bei nächsten Mal. Für die Finger und Ohren hat sie wollene Tücher und Handschuh mit und so friert sie nicht.
Bald hat die Nässe der bereits schlafenen Halme ihre Lederschuhe durchdrungen, ihre Füße werden kalt.

Sie wandert los, froh ums Herz, und mit jedem Schritt öffnet sich ihr Brustkorb mehr, und ihre Seele beginnt still zu lächeln. Ihr Blick richtet sich meist nach innen, jedoch entgeht ihr die Schönheit des trüben Novembertags nicht. In Zwiesprache mit Gott dankt sie für ihren großen Reichtum. Sie tut es nicht beiläufig, sondern hält inne an jedem Geschenk und neigt ihren Kopf für jede einzelne Gabe, vergisst nichts.

Zu ihrer linken, so weit entfernt, dass sie die Gestalt fast nur erahnt, begleitet sie ein weißer Reiher. Majestätisch und gleichmäßig tragen ihn seine Schwingen gen Süden.
Ein Graugänsepaar flattert über sie hinweg, in die falsche Richtung, wohl noch ohne Anschluss an ihre große Schar. Etwas später passiert das Duett den Luftraum über ihr erneut.

Aufgeschreckt durch ihre fast lautlosen Schritte platscht unmittelbar vor ihr ein Biber in den Wasserlauf, den sie erreicht. Sie freut sich an seinen Schwimmkünsten, erwidert ruhig und freundlich seinen Blick und lässt ihn dann zurück.

Oft ist sie hier gewandert, sie kennt die Natur und sich selbst in ihr. Und doch ist etwas anders.

Sie gibt sich dem Leben hin und freut sich auf ihre Hütte.

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Sonntag, 4. November 2018
Moment
Eine unruhige Nacht liegt hinter ihr.

Er wird zu ihr kommen. Nirgendwo würde sie wagen, das zu erzählen.

Doch, eine Freundin ist da; und eine weitere fällt ihr ein. Beide sind ihr im Herzen so nah, fast so wie sie selbst.

Er wird zu ihr kommen, sie halten, küssen, lieben, mit weicher, gurrender Stimme Worte sprechen, ihre Haut erblühen lassen.

Sie steht da wie zu Anfang. Das Leben wird nach vorn gelebt und rückwärts verstanden. Sie tappt weiter, nach vorn. Genießt den Moment, die Ahnungslosigkeit, das Vertrauen in das Leben.

Durch das wenige Leid, das sie erlebte und von den wenigen Menschen, deren Tod sie begleiten durfte, lernte sie schnell: der Moment ist der Teil der Zeit, der zählt. Und sie genießt sie, diese Minute, und die nächste.

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Sonntag, 28. Oktober 2018
entgangenes Joch
Dieser Morgen erreicht sie etwas früher als gewohnt. Dessen ungeachtet steht sie still und gut gelaunt auf und bemerkt es erst mit einer kleinen Verzögerung: Sie hat gedacht 'gut, dass der Kelch dieses Mannes an ihr vorübergegangen ist'.

Es ist nicht so, dass sie sich nicht erinnert an das große Glück, dass sie empfand und empfing, die große Liebe, die sie durcheinanderwirbelte und zu unglaublichen Höhen trug. Jetzt, in diesem Moment, erlebt und begrüßt sie, dass kein Joch der Liebe auf ihren Schultern und ihrer Seele ruht.

Und seine Anwesenheit und seine Erwartungen sind ein Joch.

Sie hätte es akzeptiert und getragen, keine Frage. Und vielleicht wandelt sich ihr Geist noch tausendmal, vielleicht wenn er kommen sollte.

Doch der Gedanke ist gedacht.

Zufrieden macht sie sich an ihr Tagewerk. Draußen ruft das Käuzchen, leise und noch etwas verschlafen.

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Samstag, 13. Oktober 2018
Schlafräuber
In der Nacht sind ihre Gedanken bei ihm, seine imaginären Lippen lieben sie, wie sie es so oft getan haben.

Sie leidet nicht, denn er wohnt in ihrem Herzen - nur das Hadern tut weh, und das Vermissen.

Zerschlagen steht sie auf, kocht sich noch stärkeren Kaffee als üblich und bittet um seinen Dienst.

Draußen schreit der Bussard, wieder und wieder. Es ist so warm, dass Bienen und Wespen ihr geschäftiges Lied brummen.

Heute wird sie mit ihrem Vater wandern; ein seltener Moment.

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Freitag, 12. Oktober 2018
Blick
Einige Zeit hat er sie gemieden. Sie schreibt ihm eine Nachricht, und er meidet sie, antwortet nicht.

Tage später, sie schreibt eine erneute Nachricht, gibt er seine Haltung auf, sein Weg kreuzt ihren; nur sie beide wissen, dass er sich bewusst nähert und welche Bedeutung das hat.

Sie sieht in seine Augen, ängstigt sich nicht, sieht in seine Augen, liebt auch den kürzesten Blick.

Er trifft sie immer wieder, sie beide genießen ihre kurzen Momente.

Sie wartet.

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Sonntag, 7. Oktober 2018
Tagesritt
Heute morgen willigt sie in das Allein-sein ein. Sie ist zufrieden, einverstanden, frohgemut, wissbegierig.

Er wohnt in ihrem Herzen, sein Amulett beschwert ihren Hals, ihr Blick ist frei und ruhig.

Heute morgen wird sie zu einer langen Wanderung aufbrechen, und zwar mit anderen Wanderern. Etwas unsicher zieht sich ihr Inneres zusammen, sorgfältig maskiert sie ihre Seele und bereitet ihren Proviant zu, legt alle Untensilien zurecht.

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Samstag, 6. Oktober 2018
nichts
Herrlichster Morgen. In ihr ist die heilende Wirkung langen Schlafs. Ansonsten Stille. Nichts. Frieden, der aus der Abwesenheit von allem besteht.

Sie ist glücklich.

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Freitag, 5. Oktober 2018
verborgen
Gleißendes Sonnenlicht flutet an die Hütte. Alte Weiber schießen seidene Fäden umher; die Luft schwirrt und sirrt voller später Mücken und wieder flügge gewordenen Wespen.
Sie lässt die Zeit verfliegen, langsam, fast zärtlich. Ihr müder Blick wandert ab und an in die leere Ferne, senkt sich dann wieder ins Hier.

Sie hat alles, was sie braucht, ruht viel, genießt den Müßiggang, wartet leise und im Verborgenen.

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Mittwoch, 3. Oktober 2018
einsame Reise
Sie bereitet sich vor und legt alle notwendigen Dinge zurecht. Messer, kleines Kochgeschirr, eine weitere Hose, Rock, Wams, Gift, Utensilien zum Anfeuern. Alles wird verpackt und so wandert sie los. Ein letzter Blick zurück; dieses Mal wird sie nicht, wie sonst üblich, am Abend zurückkehren.

Sie wandert viele Meilen. Ihre erste Übernachtung wählt sie erst tief in der Nacht, und so hört sie das heftige Rauschen von Wasser nur, sehen kann sie nichts. Sie schläft fest und tief und ungestört, in der klaren Nacht mit dem hellsten vollen Mond über ihr.
Ihr erstes Feuer genießt sie sehr, unterwegs, Zigeunerin. Heißer Kaffee begleitet sie in den Tag, gleich neben dem wilden Wasserfall. Sie wäscht sich von Kopf bis Fuß in dem klaren, eiskalten Wasser, dann zieht es sie weiter in die Fremde.

Bald erreicht sie Felder und Berge, am Ende der Welt. Sie weiß, dass die Erde noch viel größer ist und es noch viel fernerne Ort gibt, doch ihr erscheint es wie die fernste Ferne, die möglich ist. Tagsüber ist es warm, und sie rastet in der Sonne und liebt die warmen Strahlen. Hoch oben über allem spürt sie noch mehr die eigene Unbedeutendheit.

Sie geht jederzeit jenseits der größeren Wege, meidet die Menschen, sucht schmale, ausgetretene Pfade, manchmal von Tieren geschaffen. Die ungewohnten Höhen machen ihr zuweilen zu schaffen und sie schläft in den Nächten erschöpft und traumlos durch.

Dann kündigt sich ein Wechsel an. Der Himmel zieht sich zu, die Nächte sind nicht mehr klar und ein wenig wärmer. Sie erinnert sich an die Wärme und Geborgenheit, die Sauberkeit und die Ordnung der Hütte und wendet sich dem Heimweg zu, stapft los, plötzlich eilig, entschlossen. Am liebsten wäre sie an einem Tagesmarsch zurück, aber das ist unmöglich, zu groß ist die Distanz. Zwei nächtliche Pausen braucht sie, bis sie zurückkehrt in heimische Gefilde. Am letzten Tag hält sie sich nicht mehr mit Waschen und Rasten auf und sehnt sich dem Zuhause entgegen.

Endlich wieder daheim! Ein riesiger Zuber mit heißem Wasser, sie versinkt und liegt so lange im dampfenden Bad, bis Knochen und Muskeln völlig entspannt, Haare und Haut vollständig sauber sind. Dann erst macht sie sich an die Reinigung der Wäsche und Ordnung des Gepäcks.

Süß empfängt sie die herrlichste Bettstatt am Abend, sie igelt sich glücklich ein.

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Freitag, 28. September 2018
ein Tag
Noch bevor sie ihren Stift für ihre Aufzeichnungen aufnimmt, fällt ihr der Titel der heutigen Schrift ein - das geschieht sonst nie.

Kaffee steht dampfend neben ihren Utensilien auf dem gescheuerten Holztisch, der so schwer und massiv in der Mitte ihrer Hütte thront, dass sie Gottes Macht vergisst, die ihn hinwegpusten könnte wie einen trockenen Grashalm.

Ihr Blick wird nicht gehoben, sie ist nicht interessiert an Sinn und morgen, sie versteht, ohne zu denken und ist ruhig und glücklich.

Dämmerung und Wärme der Hütte umfangen sie behutsam und freundlich und locken sie in den einen Tag.

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Donnerstag, 27. September 2018
ohne Worte
Bereits am Morgen endet auch dieses schwarze Tal.

Noch etwas unsicher setzt sie die ersten neuen Schritte, setzt später einen Teig an, backt ein kräftiges Brot.

Mittags lässt sie sich nieder; obwohl die Sonne strahlt wie im Hochsommer erwägt sie nicht, die Hütte zu verlassen. Nach einem stärkenden Mahl will sie etwas ruhen und nickt ein.

Und verpasst so seine Ankunft.

Er küsst und herzt sie, liebevoll umfangen seine Arme ihr Herz, sie lieben sich, kein Wort fällt. Sicher tanzen sie auf schon oft betanzten Wegen, drehen sich anmutig und gewandt, ohne Angst, innig und verbunden, unspektakulär und grandios.

Die langen Monate der Sprachlosigkeit wirken noch nach, doch sie beide verstehen sich auch ohne diesen Austausch.

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