Donnerstag, 13. April 2017
Die Zeit ist um
Mitten in der Nacht erwacht sie. Ihr Herz schmerzt heftig, er fehlt ihr, es tut recht weh, sie trauert und leidet.

Lange liegt sie wach, später gleitet sie erneut in einen schweren Schlaf.

Morgens steht sie schwerfällig und gebeutelt auf. Wieder spürt sie den lähmenden Schwerz. Sie bemerkt, dass alles richtig ist, folgerichtig, und so vermeidet sie nichts. Sie bezähmt ihre Ungeduld und geht weiter, einen Schritt vor den anderen.

Sie nimmt das Amulett von der Fensterbank, legt es mit dem Plan, es zu tragen, um ihren Hals. Dort hängt es einen Moment, schwer und bereits ungewohnt, sie nimmt es wieder ab und schiebt es in eine hintere Ecke.

Die Zeit ist um.

Eine neue Zeit wird beginnen.

Irgendwann.

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Mittwoch, 12. April 2017
Unsicher
Er hat sich komplett abgewendet, alle Bänder zerschnitten. Sie hatte immer gewusst, dass es so kommen würde, auch wenn sie etwas anderes erhofft hatte.

Sie ist froh, geliebt zu haben und hat alles aus vollem Herzen und gern gegeben.

Was soll sie nun tun? Unschlüssig betrachtet sie das Amulett, das er ihr gelassen hat. Sie legt es vorerst neben ein Goldstück auf die Fensterbank, das ihr einst ein altes Weib gab. Erstmal probehalber.

Auf unsicheren Beinen verlässt sie die Hütte und beginnt ihr Tagewerk.

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Montag, 10. April 2017
bewegt sich was?
Irgendetwas ist in Bewegung. Unsicher fühlt sie nach, ob sie sich vielleicht irrt. Was geht da vor?

Sie kann es nicht einordnen. Wendet sie sich bereits innerlich ab?

Der Morgen ist wie jeder andere. Sie wird abwarten.

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Samstag, 8. April 2017
in Ordnung
Nachdem diese Gedanken "ausgedacht" sind, geht es ihr besser. Sie spürt eine große Zustimmung in sich, gepaart mit einer stillen Ruhe.

Sie überlegt, ob es irgendwie destruktiven Charakter hat, ihn weiterzulieben, obwohl er sie nicht liebt. Mag sein, beantwortet sie sich selbst ihre Frage, aber sie verhungert nicht davon, schadet niemandem, sie erlebt sich ruhig und ausgeglichen, zufrieden.

Sie wird ihn weiterlieben. Es ist in Ordnung, wie es ist.

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ein sicherer Ort
Mit jedem weiteren Tag seiner Abwesenheit wird klarer: Sie ist weit davon entfernt, ihn loslassen zu wollen. Es ist eine Sache des Eingeständnisses, und eine Sache des Willens. Und sie will nicht. Sie will sich nicht abwenden. Sie will offen bleiben in seine Richtung.

Das hat zur Folge, dass sie sich nicht in eine andere Richtung öffnen kann, darf. Sie nimmt die Konsequenz in Kauf. Sie ist froh, dass er ihr sein Amulett gelassen hat. Sie trägt es als Trost und als Zeichen. Sie bleibt seine Frau. Jedenfalls in diesem Moment.

Wenn er in ihre Nähe kommt, zickt sie ihn an. Sie will ihn nicht in ihrer Nähe haben, nicht auf diese Art. Nicht, wenn sie nicht seine Stimme mit dem Herzen hören darf, nicht, wenn ihre Lippen nicht an seiner Haut ruhen dürfen, nicht, wenn seine Arme sie meiden.

Sie fügt sich und hüllt ihr Herz in die sanftesten Bahnen, seiden und silbern, vergräbt es tief bei den anderen Schätzen und behängt alles mit bunten, leuchtenden Tüchern. Es bleibt allein, lebendig, erwartend, liebend.

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Freitag, 7. April 2017
eine Liebe
sie vermeidet jeden bewussten Gedanken an ihn, das gelingt sehr gut. Morgens allerdings, wenn sie erwacht, spürt sie deutlich jeden Fleck ihrer Haut, den er nicht berührt.

Ihr Herz reagiert nicht mehr, sie fühlt es kaum.

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Samstag, 1. April 2017
Kreis
Es geht ihr gut. Sehr gut sogar. Sie ist aufgeräumt, klar, bereit für das Leben.

Die letzten Tage hat sie - zwar fleißig, stark wie immer, aber eher desinteressiert und fast ein bisschen stumpf alle Arbeiten auf der Freifläche um die Hütte herum erledigt. Das gesamte Land ist umgegraben, alle Ansaaten sind rausgepflanzt, gewässert, Kletterhilfen sind gesetzt, sogar ein gutes neues Stück Erde hat sie der Wildnis abgetrotzt und urbar gemacht.

Das erste Jahr seit einem halben Leben ohne den Fuchs.

Abends sitzt sie erschöpft vor der Hütte, die Sonne füllt ihr Gesicht mit Wärme und lindert die Schmerzen ihrer müden Glieder. Wieder merkt sie: sie benötigt eigentlich keine Menschen, nicht wirklich. Erde und ein Auskommen genügen ihr. Wenn es nicht zu früh wäre, könnte sie sich vorstellen, nie wieder etwas anderes zu tun als diesen Ort zu bewirtschaften und ruhig zu werden.

Sie bemerkt, dass er für den Moment vollständig verschwunden ist und schöpft neue Hoffnung.

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Traum der Nacht
Alle sitzen um Tische herum, es ist Essenszeit. Auch M ist dabei, aus welchem Grund weiß ich nicht mehr, es sind in jedem Fall ausschließlich meine Kollegen dabei. Herr B hat Essen kommen lassen, deftiger Eintopf mit Würstchen.

Ich gehe zu M und bitte ihn leise, niemandem von meinen Kollegen zu sagen, dass wir kein Paar mehr sind, er antwortet: zu spät. Ich rege mich fürchterlich (relativ im Stillen, will ich doch keine Szene vor allen) auf, befürchte, dass alle nun noch mehr in meine Privatsphäre eindringen. Er gibt mir Recht, erinnert sich auch, dass ich ihm das früher schon gesagt habe, kann es aber nicht mehr rückgängig machen.

Wir entfernen uns von der Gruppe, er soll mir genau erklären, wie das Gespräch - und besonders mit wem - verlaufen ist. Er setzt mehrere Male an, es war B. Sie saßen im Pool, eine Art Dampfbad, nur Männer. B sagte etwas sexuelles über uns, M widersprach, dass wir das nicht mehr tun würden.

Während des Gesprächs mit M sitzen wir plötzlich in einem Kleinwagen, Fiat Uno, weiß, und rasen über eine vollkommen schneebedeckte Autobahn. Uns kommt ein schlingernder LKW entgegen, M äußert sich geringschätzig über seine Fahrkünste. Auch andere Fahrer haben Schwierigkeiten, unser Auto wird von M schnurgerade und sicher und ziemlich schnell gefahren. Ich sage angespannt, er solle bitte langsamer fahren, ich hätte Angst. Und sofort revidiere ich meine Aussage, selbst ein wenig erstaunt, ich habe gar keine Angst. Wir rasen weiter, alles ist mit frischem Schnee bedeckt, die Sonne strahlt, herrliches Wetter.

Plötzlich und völlig unerwartet rasen wir über eine Felskante und sausen über den Abgrund. Es ist klar, wir werden abstürzen, das ist das Ende. Komischerweise stürzen wir zwar, landen aber wohlbehalten - auf unseren Füßen - unten am Boden. Wir beschließen, etwas zu wandern und uns weiter zu unterhalten. Sofort am Anfang unseres Weges liegt ein Gasthaus. Wir sind zwar nicht hungrig, betreten das Haus aber trotzdem neugierig. Vielleicht ein anderes Mal? Wir werden nett empfangen, ein Haus erster Klasse. Uns wird gesagt, wir könnten aus sehr vielen verschiedenen Arten Ente wählen. Ich werde von einer Frau gefragt, ob ich mehrere Sorten Ente kennen würde; ich verneine. Sie lächelt wissend und nennt als erstes: Barbarie-Ente. Die kenne ich, antworte ich. Alle dann folgenden Namen habe ich noch nie gehört.

Wir bedanken uns nett für die Einladung und die Präsentation, verlassen das Haus und machen uns auf den Weg.

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Freitag, 31. März 2017
Ende
Vor ihr liegen Blatt und Stift, es gibt so viel zu schreiben - aber das Papier bleibt weiß. Durch das weit geöffnete Fenster quillt die frische Frühlingsluft herein. Ihr abwesender, fast freudloser Blick verfolgt den heiß brennenden Feuerball, wie er mühsam den Horizont hochklimmt.

Er ist nicht da und er wird niemals wiederkommen. Ausgesprochene Worte und abgeschnittenes Ende.

Das leere Blatt vor ihr bleibt weiß.

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Dienstag, 28. März 2017
Blick in die Welt
Mehrfach war ihr am Vortag das Wunder ihrer Augen durch den Kopf gegangen. Einmal setzte sie ihre Brille auf und dachte gleichzeitig an Zeiten, zu denen sie ohne Brille sehr scharf gesehen hatte. Sie war überaus froh, dass sie nur so winzige Veränderungen und Beeinträchtigungen anzunehmen hatte, dass keine Krankheit oder Behinderung mit großer Tragweite den Weg zu ihr gefunden hatte.

Aufmerksam betrachtete sie ihr Auge. Was für ein wunderbares Organ. Wer war auf diese komplexe Idee gekommen? Wer hat die Macht, so etwas zu schaffen?

Der Tag drängte sich in ihre Gedanken und begehrte Raum und Aufmerksamkeit. Sie ließ sich nicht drängeln. Sie bedankte sich ernsthaft und glücklich zugleich bei ihren Augen. Sie ehrte ebenfalls alle anderen Körperteile. Sie dankte der Welt. Sie dankte der Liebe. Dass sie da war. Dass sie zu ihr gekommen war.

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Montag, 27. März 2017
Sonne
Seine Abschiedsworte konnte sie gelassen hinnehmen und sie antwortete ihm zugewandt und liebevoll - und unter Beachtung und Wahrung ihrer Grenzen.

Später forscht sie nach den Gründen für ihre gute Laune und findet: nonverbal hatte er mitgeteilt, dass es ihm schwerfällt und so hatte sie die Hoffnung nicht aufgegeben.

Das Amulett um ihren Hals schwingt mit Leichtigkeit hin und her. Sie genießt die Tage und die Sonne und lässt ihr Herz, wo es ist.

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Sonntag, 26. März 2017
Geburt
Sie sitzt vor der Hütte und streckt ihr Gesicht zur Sonne hin. Die Luft ist kühl, der weißliche Feuerball strahlt dagegen an.

Sehr viele ihrer Sämereien sind aufgegangen. Alle hat sie bereits mit Wasser versorgt. Sie freut sich über die Explosion eines Baumsamen, die sie heute morgen zum ersten Mal gewahr wird; ob sie jemals von seinen Früchten kosten wird?
Es soll ihr Baum der Hoffnung werden, der Baum des Jetzt und des Morgen.

Ihr Blick wandert gen Himmel, hier und da ziehen leichte Wolken auf. Ob es ein Tag für Landarbeit wird, der erste des Jahres? Der letzte Kältehauch des Jahres liegt noch in weiter Ferne, sie will kein Risiko eingehen und die jungen Pflänzchen zu früh raussetzen.
Der Tag ist blutjung und sie verschiebt den Plan für das Tageswerk auf später. Erst wird sie in Ruhe ihren Kaffee schmecken und lieben, und danach ein Brot backen, mit dem vom Markt im Dorf mitgebrachten Schrot.

Kein Wort wurde bislang gesetzt über einen Menschen. Somit wird er erst jetzt, in diesem Moment, gedanklich leiblich. Bislang sollte er das nicht und es ist absolut fraglich, ob er seinen Leib zu Recht erhält.

Sie besieht sich seinen Leib und tut nichts.

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Samstag, 25. März 2017
hilflos
Der Tag schleicht sich mucksmäuschenstill und leise heran und breitet sich langsam in der Welt aus. Vorsichtig streichelt er ihr Gesicht und umgibt ihren Körper. Sie spürt die Anwesenheit ihres Liebesmannes in ihrem Herzen, ihrem Selbst; dann erwacht sie.

Nach dem Aufstehen, einem heißen Kaffee, dem Füttern der Vögel verfasst sie eine lange, wohldurchdachte Nachricht an ihn. Darin nimmt sie die Trennung an und bittet ihn um Frieden.

Später hält sie das Papier versunken über das Feuer, nach zwei,drei Momenten öffnet sie die Finger und beobachtet sein Segeln der Glut entgegen und wie es in Flammen aufgeht.

Sie ergibt sich in die Hilflosigkeit, sie, die Aktive, die Macherin.

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Donnerstag, 23. März 2017
Tagebuch
Das Leben um sie herum mutiert zu einem Tagebuch, einer Geschichte, in der sie vorkommt, einer Chronologie von Momenten.

Sie ruft sich zur Ordnung und zollt ihrer Gesundheit und der Fülle der Welt den gebotenen Respekt. Ihr Herz ist so gefühllos, dass sie den Schmerz nur so leise spürt, dass sie nachhorchen muss, ob er überhaupt da ist. Oder tut es womöglich gar nicht mehr weh? Doch nach ihm gesucht, findet sie ihn, vollumfänglich, konturenlos, schmerzhaft.

Ergeben legt sie das Amulett um den Hals. Der nächste Moment. Und der folgende. Und erneut ein neuer Moment.

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Mittwoch, 22. März 2017
herzlos
So viele Versuche, ihr Herz auszulösen liegen hinter ihr. Nun fängt sie wieder ganz von vorn an - aber diesmal ohne jeden Elan, ohne jeden wirklichen Willen. Sie schämt sich angesichts ihrer Schwachheit und Dummheit - denn wenn sie ehrlich ist, willigt sie ein, es bei ihm zu lassen und herz- und ziellos durch das Leben zu streifen.

Sie hat keine Kraft.



Ihre Gedanken bleiben stehen, sie hält inne. Plötzlich denkt sie: selbstgemachte Leiden. In dem Sinne, dass sie genau das gewusst hatte, und es trotzdem wollte. Und genossen hatte. Sie hatte aktiv entschieden, es so zu tun und zu leben, genau wie die Vergangenheit auch gewesen war.

Nun war es vorbei, und das war folgerichtig geschehen, aber mit vorheriger Erfüllung ihrer Wünsche. Die Konsequenz ihres abwesenden Herzens ist der Preis, den sie zahlt, und das hatte sie gewusst. Sie willigt ein in die Leiden, lässt ihr Herz, wo es ist und wendet sich den anderen Dingen zu, die ihr vor Füßen liegen, alle golden und mit dem strahlenden Leuchten der anderen Welt versehen.

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Dienstag, 21. März 2017
tief verborgen
Frühmorgens veranstalten die Vögel den ersten Radau des Jahres. Frühling, Frühling mit der Macht der Klarheit macht sich breit. Fix springt sie auf und startet geschäftig ins Leben. Sie klopft aus und lüftet, schleppt Gekochtes und Gebackenes raus, das sie heute verteilen wird, ordnet alles wieder und säubert die Herdstelle. Noch feuert sie morgens an.

Wie lange noch? Bald wird es zu warm sein für ein morgendliches Feuer, dann wird sie die meiste Zeit des Tages draußen verbringen, nur in der Hitze des Mittags die kühle Hütte aufsuchen. Und auch dieser Sommer wird sich dem Ende neigen, und mit dem ersten abgemähten Korn wird sie erneut daran denken, dass sie allein ist, wir alle allein sind.

Heute denkt sie, dass sie allein bleibt. Gefasst beäugt sie ihre Trauer, würde sich immer für ihre Klugheit entscheiden, wird sich niemals mehr einem Mann unterordnen, und keinen finden, der sie an seiner Seite stehen lässt. Einen solchen gibt es nicht, das ist die Wahrheit, die vor ihr liegt. Und das Leben könnte nach vorn genauso lang sein wie das hinter ihr.

Demütig senkt sie den Kopf und verschließt fest ihr Herz.

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