Samstag, 27. Januar 2018
herrlichster Morgen
Dieser Ausdruck fällt ihr beim Erwachen zu. Sie tappst zur Feuerstelle und setzt Wasser auf. Niemand hebt schlaftrunken die Augen, kein Blick folgt ihrem Tun, still liegt der Fuchs in der Tiefe des Dunkels.

Sie zündet Lichter an, kuschelt sich mit dem heißen Kaffee in ihre Decken. Draußen schimpft lautstark eine Drossel. Sie windet sich noch einmal heraus und sieht nach, ob der Anlass für das Gezeter fehlendes Futter ist, aber es liegen noch genügend Körner da.

Der herrlichste Morgen von was? Es gibt keine Relation. Einfach: herrlichster Morgen. Ihre Hütte schließt sie ein in eine wunderbare Welt und ein feines Strahlen zieht durch die Räume. Sie badet in dem Moment, fühlt dem Frieden von einem 'Drüben' nach und neigt ihr Sein vor ihm.

Heute erwartet sie der Schneider, er wird ihr eine feine, schwarze Hose anfertigen, die sie sich schon lange wünscht. Vielleicht erhält sie auch noch eine Bluse oder ein anderes hübsches Teil, sie freut sich und wird sich wunderbar fühlen. Sie lächelt und ist erneut tief dankbar, wandelt in der Fülle ihres Inneren.

Unbemerkt ist ein winterliches Licht über die Grenze zur Anderwelt geschlichen und die starren, toten Arme der Bäume heben sich hart dagegen ab. Draußen ist es ungewöhnlich warm, sie schließt die Augen. Man könnte meinen, es sei bereits Frühjahr, denn genauso singen die Vögel, durchdringend und fordernd und voller Lebenslust. Sie ersehnt das neue Leben, ja, sie ersehnt es heftig.

Noch immer kann sie ihn nicht loslassen. Sie erahnt das ernüchternde Ende, schaut schnell in eine andere Richtung.

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