Samstag, 28. Januar 2017
Die Liebe
Ein neuer, hell strahlender Tag ohne jedes Wölkchen am Himmel. Die Luft eiskalt, die Atemzüge schmerzen. Sie stapft energisch und mit gleichbleibender Geschwindigkeit voran. Kein Fuchs weit und breit. Es wird hügelig, sie wählt einen Berganstieg, der ihr nach und nach einiges abverlangt; langsamer wird sie jedoch nicht. Manchmal hält sie inne und blickt sich um.

Den Mann, den sie verließ, liebte sie nicht mehr, nicht auf die Art, in der eine Frau einen Mann liebt. Als die Liebe schwand, sah sie seine Schwächen und Fehler in völlig anderem Licht; nach wie vor gnädig, aber nicht mehr von Herzen geliebt. Sie verlor viel, ein ganzes Leben, eine goldene Freundschaft, ihr Heim, das bereits geschriebene, glückliche Buch ihrer Zukunft. Was sie gewann, oder besser gesagt, was sie behielt, war viel mehr: ihre Integrität, ihre Authenzität, ihre Treue, ihre Gesundheit.

Den Mann, den sie traf, liebte und liebt sie. Ganz ohne Fragen und ohne Zweifel, und mit seinen Schwächen und Fehlern, und auch ohne seine Gegenliebe. Sie liebt ihn und sie wartet auf ihn, sie wünscht ihn in die Nähe ihres Herzens, und da sie ihn liebt, lässt sie ihn gleichzeitig los, damit er dahin gehen kann, wo es ihm gut geht.

Erst heute, nach drei Jahren, sieht sie, was sie sehen muss. Die Liebe ist das Entscheidende, alles andere ist ein zahnloser Tiger. Mit der Liebe wird unwichtig, was passt und was unpassend ist, was von Dauer oder was schnell vergänglich ist, was leicht fällt oder was schwierig ist. Die Liebe bleibt dort, wo es ihr gefällt, und dort richtet sie die Dinge mit einer Macht, die sich durchsetzt.

So genießt sie die Liebe, wünscht sie nicht woanders hin oder in eine veränderte Form, sie nimmt sie als Geschenk, die sie ist.

Die Seiten im Buch der Zukunft sind leer, alles, was auf ihnen stand, ist gelöscht. Leere, Furcht vor dem, was kommt, Unsicherheit und Bangen, und Chance, Entdeckergeist, Abenteuerlust und Entwicklung purzeln zwischen den weißen Blättern durcheinander. Und die Liebe, mit funkelnden Augen, ist die Urheberin dieses Chaos.

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Liebe ist ein wunderbares Gefühl, schrecklich ohne Gegenliebe, aber Liebe nichtdestoweniger. Ein Gefühl, dass es auszukosten gilt. So viele Menschen sterben, ohne jemals geliebt zu haben. Das ist wahrhaft traurig!

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Liebe Birgit, ja, die Liebe ist wunderbar - und "ohne Gegenliebe" ist immerhin relativ insofern, als dass ich mich willkommen und wertschätzend angesehen und behandelt fühle; so gut es die Situation eben hergibt.

Um die Erfahrung bin ich ebenfalls dankbar. Ein guter, reicher Weg.

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