Samstag, 8. Januar 2022
noch nicht weg
In der Nacht hört sie ein dumpfes Klopfen, laut und unregelmäßig gegen die massive Außenwand der Hütte. Sie lauscht, ohne Angst, und als sie aufsteht und nachsieht, verstummt das Geräusch.
Anfangs sind ihre Füße kalt, als sie sich wieder einrollt in die dichten Federn und schweren Felle, doch dann schläft sie erneut ein, bis in den Vormittag hinein.

Draußen liegt weißer Rauhreif über der sonnigen Welt; es scheint, als wäre die Kälte sichtbar.

Sie sieht nicht hinein, in das Briefkörbchen des Wolfs, schon seit Neujahrsgeburt nicht, und jetzt, in der Stille, spürt sie die Reste der letzten, leisen Verbindung zwischen ihnen, wie geflüstert. Vorsichtig und sorgsam streift sie die Gedanken ab und schiebt sie tief in die hinterste Ecke ihres Herzens.

Im Moor läuft es toll für sie. Erst gestern hat sie neue, begehrte Aufgaben erhalten, und sie freut sich schon auf das Reizvolle und das Lernen. Respekt hat sie auch, doch sie ist willens und entschlossen, alles ohne Tadel zu erledigen, welcher Einsatz auch nötig ist.

Die Sonne steigt höher und strahlt in ihr Gesicht. 'Hier bin ich!', will sie sagen, und sie heranrufen in den herrlichen, gefüllten Tag.

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Donnerstag, 30. Dezember 2021
Rauhnächte
Sie startet in das dichte und milde Dunkel der Finsternis. Mal ängstigen sie die Geräusche, das Rauschen der Wipfel in den wilden Winden, mal wird sie umschlungen und angefüllt von der Mystik der Rauhnacht. Alle Tiere ruhen, schlafen, geben keinen Laut von sich.
Mal schleicht der Strom lahm und geräuschlos an ihrer Seite, dann wieder dringt sein fleißiges Gurgeln und Plätschern zu ihr empor. Feinste Regentropfen wehen in ihr Gesicht und benetzen Haut und Haar.

Mit gewohntem Abstand passiert sie die Gehöfte der Umgebung, in deren Fenstern Lichter aufgestellt sind.

Einer ihrer Oheim ist verblichen. Seine Reise in die Anderwelt ist würdevoll, sie wird begleitet von einigen liebenden Gedanken.

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Freitag, 24. Dezember 2021
Gottes Nähe zum Greifen spürbar
Herrlich, ihr Erwachen im Frieden, in Ruhe und Geborgenheit.
Sie realisiert, dass die Wolfsgefühle die gesamte Nacht nicht von ihrer Seite gewichen sind. Prüfend sucht sie Antworten auf Fragen, die sie nicht zu stellen weiß; immer noch ist da nichts.

Schnell sind der heiße Kaffee gekocht und ein paar ordnende Handgriffe an der Kochstelle getan. Sie entzündet die vier weihnachtlichen Lichter und begrüßt den Heiland, ohne bewusst an ihn zu denken. Gemütlich und warm liegen Decken und eingewickelte heiße Steine an ihren Füßen und über ihren Beinen; sie erledigt die noch notwendigen Dinge des alten Jahres - es sind nur wenige - und fertigt kunstvoll ein paar Briefchen für ihr liebe Menschen an.

Der Morgen bringt ihr Stille, Beruhigung, Genuss, Fülle. Sie nimmt alles dankbar entgegen und neigt ihr Haupt, bevor sie sich in die Geschäftigkeit des Tages einreiht.

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Donnerstag, 23. Dezember 2021
Starre
Sie vermisst den Wolf.

Seine Nachricht - mit dem geliebten Zeichen seines Kusses - lässt sie unbeachtet und unbeantwortet.

Etwas, das sie noch niemals zuvor getan hat.

Sie hält still, rührt sich nicht.

Ihre Blicke wandern tausende Male hin zum leeren Körbchen für seine Briefchen.

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Samstag, 18. Dezember 2021
Entlastung
Das Schaffen im Moor tut ihr gut. Interessant, lehrreich, für sie oft neu - und nicht so hart. Am Ende einer arbeitsreichen Woche erreicht sie bereits am Mittag die Hütte, im Körbchen ein frisch angerichtetes Mahl von einem der Verkaufsstände des Marktes. Das Essen ist noch heiß und verströmt einen unwiderstehlichen Duft.

Sie tut nichts anderes als sich zu setzen, die leckere Kost zu genießen, später die Füße hochzulagern, ein wenig zu lesen und sogar etwas zu schlummern, und sich später ohne irgendeinen ordnenden Handgriff in die Felle und Kissen ihrer Traumstatt zu rollen, gemütlich und kuschelig.

Und sie träumt. Die Anderwelt zieht und zupft sie behutsam in ihre Geschichten hinein, und sie erlebt sie alle, und spürt erst beim Verlassen, dass es nicht diese Welt war.

Nun sitzt sie am schweren Holztisch, auf ihrer mit tausend Kissen und Decken gepolsterten Bank, die heiligen Lichter entzündet, Gottes Macht befriedet sie, und der Kaffee dampft und erweckt ihre Gefühle, Gedanken, und ihre müden Glieder.
Der herrliche Tag lässt noch ein wenig auf sich warten, erst sein fast unhörbares Flüstern ist zu vernehmen. Sie lauscht still und wartet.

Ein Wolf hat keinen Raum, niemand ist da.

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Sonntag, 28. November 2021
Einzug des Heiligen
Eine gute und erholsame Nacht gibt sie frei, es war ein langer, tiefer Schlaf. Sie tappt im Dunklen hin und her, weicht Wäsche ein, feuert an und setzt Kaffeewasser auf, legt frisches, warm aufgerautes Linnen an und entzündet ein erstes Licht. Heiligkeit zieht ein.

Sie hat ihre nächtliche Arbeit bei den Kranken und Verwundeten wieder aufgenommen, nach einem turbulenten Jahr der Änderungen und ihrem nun vollendetem Wechsel ins Moor. Ihr Leben ist zurück, samt ihrer Hoheit über sich selbst, darüber ist sie froh. Alles hat gut geklappt und wurde mit Sicherheit von sorgenden Kräften gestärkt und gestützt.
Auch dem Wolf hat sie abgesagt, ohne Ankündigung in ihrer Hütte aufzutauchen. Eine erste Einladung hat er abgelehnt, eine weitere wird sie keinesfalls vor dem nächsten Jahr aussprechen.

Wenn überhaupt.

Sie vermisst ihn sehr, oder möglicherweise etwas anderes, das ist ihr noch nicht klar.
Nach ihrer Vermutung wurden ihren Zusammenkünfte unpersönlich, derart unpersönlich, dass sie währenddessen nicht ihren Diebstahl der Stunden vergessen konnte.

Wie auch immer. Sie hat ihm abgesagt, die Hütte gehört ihr allein.

Noch schaut sie täglich ins Körbchen, ob er sie umwirbt, um sie kämpft. Täglich bleibt das Körbchen still.

Noch ist sie müde von dem anstrengenden Werk der Nacht, sie wird ruhen, still sein, hin und her gehen, ruhen. Tief dankbar und befriedet betritt sie zögerlich den Tag.

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Samstag, 20. November 2021
Tanz
Schlaftrunken lässt sie sich vom Morgen aufwecken. Arbeitsreiche und erfüllte Tage liegen hinter ihr. Die gewandelten Aufgaben machen ihr Spaß, sie lernt viel Neues, der moorige Geruch gefällt ihr, und ihre Arbeitslast ist um ein Vielfaches geringer, ihre Seele erholt sich.

Die letzten Handgriffe im Wald erledigt sie vor einigen Tagen. Ein paar letzte freundliche Worte, ein paar müde Blicke, dann verlässt sie den dunklen Ort, der sie einige Jahre umfangen und begleitet hat. Auch hat er sie gestärkt und viele Dinge gelehrt, und er war eine Bürde - alles endet nun.

Gestern brauchte sie nicht ins Moor, hier werden ihr viel mehr freie Tage gewährt, die sie begrüßt und genießt. Sie steht früh auf, und backt und kocht und verpackt und sortiert bis in den Nachmittag hinein. Dann stapft sie los, bringt Leckereien, Gekochtes und Gebäck, zu ihren Kindern und ihrer Mutter. Sie verweilt und erledigt Pflichten und ist bis spät in die Nacht unterwegs. Müde und zufrieden erreicht sie die Hütte und sinkt alsbald in das Land der dunklen Lebensseite.

Nun liegen noch zwei eigene Tage frei vor ihr. Sie liebt diesen Gedanken. Die entzündeten Lichter erleuchten warm das Morgengrauen, und auch liebt sie den starken Kaffee. Eine tiefe Ruhe erfasst sie, und ein großes, stilles Glücksempfinden. Die ersten Zwitscherstimmen melden sich zu Wort.

Wagt sie es, tanzen zu gehen?

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Sonntag, 14. November 2021
Das Band ist gerissen
sie ist verunsichert und macht nichts

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Samstag, 6. November 2021
Friedensfürst
Geschützt, warm und frei füllt die Nacht sie mit neuen Kräften, gibt sie bereits frühmorgens frei. Sie kocht sich Kaffee, entzündet zwei Lichter und liebt die Stille und die Friedensstimmung.

Am Vortag war sie bis spätabends zum letzten Mal im Wald, so wie sie es versprochen hat. Alles ist geordnet, als sie aufbricht, ihr Blick läuft abschließend über die gewohnte Stätte, dann lässt sie los. Ein Arbeiter winkt von ferne, und auch sie hebt die Hand.

Sie freut sich auf zwei freie Tage, trinkt den heißen bitteren Bohnenauszug in kleinen Schlucken und wartet auf das Erwachen aller Geister.

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Freitag, 29. Oktober 2021
gesegnete Pracht
Erst weit nach Tagesbeginn gibt die Nacht sie frei. Kein drückender Gedanke ist ihr nachgefolgt, sie ist erholt, frei, unbeschwert. Ein wenig schläfrig tappt sie durch die Hütte, kocht Kaffee, umwickelt einen heißen Stein aus der Glut vom Vortag mit Tüchern und legt ihn sich an die Füße, hüllt sich selbst in wollene Plaids und setzt sich bei weit geöffneten Fenstern, durch die die helle, sonnige, kalte, geschäftige Herbstluft hineindringt, an den sauber gescheuerten Tisch.

Die herrliche, friedliche und stille Nacht bestärkt sie darin, allein ihr Glück in ihrer Hütte zu lieben und niemanden näher kommen zu lassen.

Eine Meise hüpft auf ihr Fensterbrett und beäugt sie neugierig. Aufmerksamkeitsheischend springt sie hin und her, und scheint sie auf die fehlenden Körner hinweisen zu wollen.
Die Vögel haben sie im Sommer wenig beachtet, kaum dass ein Federwesen ihrer Hütte näher kam. Sie atmet die frische Luft tief ein, prüfend auf das Wissen der Jahreszeiten, das in jedem Hauch enthalten ist, wickelt sich dann aus ihren Decken und holt die sorgsam getrockneten und gelagerten Futterrationen aus dem Vorratsschuppen und legt etwas für die zwitschernden Gesellen aus.

Auch wenn es kalt ist, wabert die Zeit träge und zähflüssig wie in einem späten Hochsommertag vorbei, verlangsamt, und sie genießt sie, ebenfalls gemächlich und versunken, ohne zuvor und danach, nur mit Kaffee.

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Dienstag, 26. Oktober 2021
Styx
Vermehrt gehen ihr Überlegungen durch den Kopf, bedrücken sie etwas. Nicht destruktiv, dafür fühlt sie sich zu frei und unabhängig.
Sie erinnert sich gut an einen Moment, ab dem sich die Zweifel wieder verstärkt eingestellt haben. Bereits früher hatte er eine kosende Bemerkung verwendet, die er gleichermaßen zärtlich, überzeugt und für sie glaubhaft aussprach. Nun gebrauchte er die gleichen Worte, doch die Formulierung wirkte auf sie wie auswendig gelernt, aufgesetzt, ohne Herz, ohne echte Liebe.

Ihr ist klar, das ist ein Ende.
Vertrauensvoll gibt sie sich mit Ihren Gedanken und Erkenntnissen hinein in die Zeit und in das Leben - ein bisschen kommt es ihr vor wie das ungeduldige Warten auf eine Geburt.

Wieder ist sie dankbar, dass nicht sie von ihm erwählt wurde - sie weiß genau, dass allein dadurch ihr eine Wiederholung von unangemessenem Leid erspart wurde. Sie ist froh, nicht als Erfüllung eines anderen Träume zu fungieren, und nicht der Last von Erwartungen ausgesetzt zu sein.

Dennoch wünscht sie sich ein Gegenüber, jemand zum Teilen eines Stück des Menschenweges. Sie zweifelt, dass es so jemanden gibt, klug, fein, männlich, fehlerbehaftet?
Unschlüssig wirft sie einen Blick zurück.

Noch hat sie es nicht geschafft, den Wolf wegzuschicken.

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Sonntag, 24. Oktober 2021
im Dunkeln liegende Richtung
Kerzen wetteifern mit der Morgendämmerung. Ein weißlicher Eishauch liegt über den Wiesen. Sie sitzt am gescheuerten Holztisch, vor sich heißen Kaffee und ihr Schreibzeug, und hängt ihren Gedanken nach.

Warum schafft sie es nicht, die Liebeszeit mit dem Wolf zu beenden?

Wie lange stellt sie sich diese Frage schon?

Irgendwann seufzt sie und entscheidet ein weiteres Mal: solange sie nicht sicher ist, was sie tun möchte, wird sie nichts tun. Das Wissen wird sich schon einstellen, oder irgendetwas anderes.

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Segen
Jede Nacht schläft sie gut und lange. Es gibt einen entscheidenden Unterschied zu ihren Nächten zu der Zeit, in der sie noch im Wald gearbeitet hat. Keine harten Worte und Häßlichkeiten begleiten sie mehr in die Hütte, ihre Seele fliegt unbeschwert zwischen Schaffen und freiem Leben hin und her, sie erholt sich in der nächtlichen Finsternis und genießt die Morgen und Abende und die Herbstage.

Ihr zu verrichtendes Werk liegt nun im Moor. Es gilt, Torfteile, Moore, Kräuter und Insekten für Tinkturen und Heilmittel zu sammeln und vorzubereiten. Umsichtige und wohl kluge Menschen findet sie dort jeden Morgen vor, manche sind still und hantieren wortkarg und fortwährend vor sich hin. Aufmerksamkeit und Verstand gehören genauso wie Wissen und Erfahrung an diesen Ort; gespannt und wach verfolgt sie alle Handgriffe der anderen und zieht ihre Schlüsse. Manches Mal nähert sich ihr ein Weib oder ein Knecht mit zerfurchtem Gesicht, führt ihre Hand oder deutet erklärend auf eine Mulde oder zeigt ihr ein Werkzeug. Sie lernt schnell und wird täglich ruhiger und geübter, Segen stellt sich ein.

Sie ist dankbar und froh, fügt sich ein in die neue Gemeinschaft, stellt Können, Stärke und Willen in deren Dienst und gewöhnt sich schnell um.

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Samstag, 23. Oktober 2021
gut und schlecht
Lange schläft sie in den wolkenverhangenen, ereignislosen Tag hinein. Dieser Herbstmorgen gibt sich trotz seiner farbigen Blätter und feuchten Kühle von seiner Stimmung her eher wie ein Spätsommertag, die zäh und langsamer vergehen als andere Tage, so als wäre alles unendlich lang und das Vergehen der Zeit ohne jeden Belang. Ein Handgriff hier und da, Linnen und Tücher in den Waschbottich zum Einweichen, heißer Kaffee - sie lässt sich Zeit, entzündet ein Licht und fügt sich ein in die gelassene, schleppende Weile.

Ein weiterer Versuch einer Ablösung vom Wolf ist vergangen. Sie probiert es hintergründig, versteckt, kann sich eine klare Konfrontation nicht vorstellen - und so ist es auch ein weiteres Mal. Anfangs ist sie guten Mutes, legt seinen Ring in ein Kästchen, und meint ihn in den Hintergrund rücken zu sehen. Doch die Tage, die vergehen, rücken ihn Stückchen für Stückchen zurück, und als er eintritt in die Hütte legt sie ihre Hand in seine und ihre Lippen verfließen zu eins.
Sie erzählt ihm alles, was sie gedacht und gefühlt hat, sie lieben sich warmherzig und sicher, und anderntags legt sie seinen Ring wieder an.

Die nicht stimmigen Gedanken schiebt sie - in Ermangelung einer Alternative - weg, und überlässt sich dem Leben, bereit für das Gute und für das Schlechte.

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Samstag, 18. September 2021
die Grenzen verschwimmen
Die Übergänge verwischen. Ist er da? Ist er nicht da?

So und so. Es ist gut. Sie liebt ihn, einfach, still, ruhig.



Bei ihrer Heimkehr erkennt sie schon von weitem seine Anwesenheit. Er liebt sie, sofort, lässt sich nur schwer um etwas Raum, Zeit, ein wenig Geduld bitten. Sie geht auf in seiner Liebe, in ihm.
Er lässt sich Met servieren, fragt sogar danach.

Sie kocht sich süßen, heißen Fruchtkuchen.

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