Liebesgeschichte eines Wolfs und einer Katze

In der Nacht war sie von ihrer letzten Reise heimgekehrt. Sie fand seine Nachricht, dass er ebenfalls fortgegangen war, er würde nicht zu ihr kommen.

Sie wartete, bis der Schmerz und die Enttäuschung im Hintergrund verschwunden waren und schickte dann einen Boten mit einer zugewandten Antwort los.

Morgens war sie glücklich, in ihrem friedlichen Zuhause zu erwachen, kein Trubel, keine Menschen, niemand. Nach einer Weile suchten ihre Sinne den Fuchs. Vergeblich.

Mittlerweile zweifelt sie an sich selbst.

Ist sie so dumm? Sehen andere alles realistischer als sie selbst? Sind die Liebesgefühle, die sie spürt, gar nicht vorhanden? Einbildung? Ist es dumm, solange bei ihm zu verharren und ihm diesem Platz in ihrem Herzen zu überlassen? Ist es Raubbau an ihr selbst?

Wo entlang führt ihr Weg? Wo beginnt er? Wo befindet sie sich und wohin sollte sie sich wenden?

Ist sie dumm? Zu langsam? Naiv? Zu blind um das Offensichtliche zu sehen? Zu schwach, um das Notwendige zu tun?

Sie überlässt sich wieder dem Tempo des Lebens und fügt sich ein.

Sie erinnert die Kriterien, nach denen sie den vorletzten Mann aussuchen wollte:
Er sollte einer bestimmten Berufsgruppe angehören (=Sicherheit/Rechtsschaffenheit), er sollte ein guter Liebhaber sein (damals dachte sie noch nicht daran, dass er einen beständigen Antrieb zu Sexualität aus sich selbst heraus haben sollte), und er sollte eine Verbindung zu Feuer haben/ihr Wärme bringen.

Für den nächsten Mann haben sich ihre Kriterien geändert in: Er soll intelligent sein (Herzenswärme geht zwar vor, aber intellektuellen Austausch wünscht sie sich), er muss groß sein, er muss Sex unabhängig von ihr wollen.

Sie ist gut in der Lage, weiterhin allein zu sein. Sie plant es sogar, denn sie wird sich nicht mehr verbiegen.

Gesehen aus der Sicht der Effizienz und Ungeduld dauert alles schon eine superlange Zeit. Aus der Position eines Zeithauchs des Universersum, innerhalb dessen die Erde entsteht und vergeht, ist alles ein verschwindend geringer Moment.

Sie müsste ihren Standpunkt kennen. Ihn erkennen. Liebt sie ihn, egal was sie davon hat und unabhängig davon, was andere sagen und ob er sie zurückliebt? Oder giert sie nur nach dem, was er in der Lage ist ihr zu geben und wenn er sich lange genug von ihr abwendet, kann und will sie sich auch von ihm lösen?

Das ist die Frage aller Fragen. Wenn sie die Antwort findet, kann sie Ruhe erlangen und weitergehen.

wie lächerlich es auch sein mag, sie liebt ihn. einfach so. nicht mehr, nicht weniger, keine absicht, kein gewinn, kein verlust. sie liebt ihn.

sie wendet sich dem tag zu.

Sie ist sich sicher, stünde er vor ihr oder schriebe ihr, sie wäre ihm sofort ohne jede Wehrmöglichkeit verfallen.

Sie hat intensiv von ihm geträumt. Im Traum war alles harmonisch und liebevoll, er half ihr und stand an ihrer Seite - ganz selbstverständlich. Komischerweise änderte sich ihr Gefühl nicht nach dem Erwachen; es war nicht so, dass sie dachte, der Traum sei falsch oder unrealistisch.

Sie fühlt, dass er da ist, bei ihr. Trotzdem er gar nicht da ist.

Was macht sie falsch? Was ist der Fehler? Was ist der Weg?

Sie lässt die Fragen offen.

heute denkt sie, wenn er sich melden würde, würde sie es niemals schaffen, ihm zu widerstehen.

Er meldet sich nicht.

Sie atmet. Es geht ihr gut. Sie wartet.

Es gibt "Neuigkeiten". Zum tausendsten Mal erwägt sie, auf seine nächste Nachricht nicht zu reagieren. Sie liebt ihn, ja, und auch mit dieser Liebe gibt es die Option, ihn zu verlassen.

Sie denkt.

Sie könnte es tun.

Würde sie es schaffen?

Sie denkt.

Verlockend wäre der Gedanke der Freiheit.

Wieder denkt sie darüber nach, sich das nächste Mal nicht mit ihm zu treffen. Wie lange hat sie sich danach gesehnt, dass er zu ihr kommt; und dabei war ihr völlig egal gewesen, ob er sie liebt oder nicht, ob er sie nur körperlich besucht oder nicht.

Nun ist es so. Er kommt zu ihr. Immer wieder. Doch er liebt sie nicht.

Sie schaut tief in ihr Herz.

Dort ist sie zufrieden. Ihr fehlt nichts. Sie benötigt kein männliches Entertainment. Manchmal ist sie einsam, doch im Moment kann sie sich nicht an die letzte Situation der Einsamkeit erinnern.

Ist es die Sehnsucht nach Wandlung, ein Trieb, eine Lebensvorgabe?

Erneut beantwortet sie diese Frage nicht und überlässt sich vertrauensvoll dem Leben.

Edit: Im Nachgang an ihre Gedanken fällt ihr wieder ein, dass ungefähr ein oder zwei Wochen nach seinem letzten Besuch die Schmerzen einsetzen. Noch fühlt sie nichts; es ist noch nicht lang genug her dass er das letzte Mal bei ihr war.

Sie hebt ihr Gesicht in die Sonne und fühlt die Wärme auf ihrer Haut.

Sie erträgt es.

Es ist nicht mehr der zehrende, brennende Schmerz, mehr höhlt es sie aus.

Sie ist zufrieden und schweigt.

Sie sehnt sich nach ihm. Es fehlen seine Hände, seine Küsse, der Tonfall seiner Stimme, sein Anblick. Sie schließt die Augen halb und ihr Gehirn verschwindet aus dieser Welt.

Sie hat verstanden, sie wird ihn nur so bekommen, wie er ist, oder auch gar nicht. Sie bleibt einfach auf der Stelle stehen, an der sie ist, und rührt sich nicht vom Fleck.

Mögen alle lachen oder die Augen rollen oder sie vergesssen: sie ist sicher, dies ist zu diesem Moment ihr Platz.

Sie wacht leicht zerschlagen auf. Er fehlt ihr nicht. Am Abend, als sie zu Bett ging, war sie etwas unsicher, wie sie sich fühlen sollte. Sie steckte sich seinen Ring an den Finger und wurde ruhig.

Wie oft, wie ewig oft hatte sie mittlerweile befürchtet, er käme nicht zurück? Sehr häufig, ungezählte Male. Er war jedesmal zurückgekehrt.

Würde sich ihre Angst nun endlich ändern?

Sie war glücklich und sie liebte ihn - in einer unspektakulären Weise, wie zu Beginn.

Seine Nachrichten erreichen sie noch vor ihrer Rückkehr. Es gibt keine Alternative für sie zum Antworten und Einlassen. Er fängt sie ab, trägt sie ins Haus und bleibt drei Tage und drei Nächte. Sie überlässt sich ihm vollkommen.

Es geht ihr wieder besser, nach seinem erneuten Weggang. Sie öffnet ihre Handflächen und lässt ihn ziehen.

Sie ist gestartet und reist. Ihre Hütte hat sie einsam zurückgelassen. Sie fürchtet nicht viel.

Wieder ist er weg - im Inneren hat er sie verlassen. Sie spürt jederzeit, wenn er "kommt" und "geht". Sie ist traurig, ja, ängstlich und verzweifelt, sie hadert, aber sie ist auch dankbar. Ihr Stand ist fest und sicher. Sie will das Erlebte nicht missen.

Ab und an spielt sie mit dem Gedanken, ihn loszulassen. Schnell verwirft sie ihn wieder, nein, das wird sie nicht tun.

Sie schüttelt unmerklich ihren Kopf, fügt sich in das Unbekannte, was vor ihr liegt, und beginnt den Tag.