Freitag, 29. April 2022
unsichtbares Morgen
Sie fühlt sich leicht. Die Abwesenheit von Lasten und Sorgen scheint ihr sichtbar, fast leuchtend und segnend. Die Goldstücke, die sie für ihr tägliches Werk im Moor erhält sind mehr, als sie für sich braucht, und so legt sie den Überschuss regelmäßig in einen verborgenen Krug, den sie mit einem schweren Leinen abdeckt.
Der Gedanke, dass auch ihre Kinder sehr gut versorgt sind, trägt ihr tiefe Freude und Frieden zu.

Heute morgen denkt sie doch an den verschwundenen Wolf. Nichts erinnert an ihre Zeit, nur sein Amulett liegt warm und stärkend auf ihrer Brust. Sie vermisst ihn, und weiß gleichzeitig, dass sie sich nicht rühren will. Es ist gut so, wie es ist, und was die Zukunft bringt, weiß niemand. Ein Seufzer stiehlt sich hervor, fast unhörbar, dann streicht sie sich entschlossen übers Haar und bereitet sich auf ihre Tagestour vor. Sie wird in die übernächste Ortschaft wandern, dort trifft sie ein Mütterchen, vielleicht erhält sie dort Rat und Trost, in jedem Fall ein kostbares Mahl.
Sie glaubt an den Zauber aller Momente und überlässt sich ihren Gefühlen und der Freude des Tages.

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