Donnerstag, 26. Dezember 2024
Lauf der Zeit
Ein weiterer Tag beginnt, ein weiterer Tag in der endlos scheinenden Flut von Tagen. Beim Verlassen der Auflösung des eigenen Selbst prüft sie alle Dinge in sich und um sich herum auf Anwesenheit und Unverändertheit.
Sie tut alle Dinge, die sie jeden Morgen tut, und die auch bereits im letzten Jahr am Weihnachtsmorgen getan wurden. Ihre Gedanken sind unschlüssig: Sind sie gut? Sind sie schlecht? Dankbar spart sie die Entscheidung aus, beschließt statt dessen, in der Dämmerung in die Natur aufzubrechen, trinkt ihren heißen Kaffee in kleinen Schlucken.

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Mittwoch, 25. Dezember 2024
Hohe Zeit
Sie erwacht früh aus der Heiligen Nacht. Noch spät hat sie Kochstelle, Töpfe, Krüge und Tisch blitzblank geschrubbt und ist vor dem Schlafengehen aufgebrochen zu einem Gang durch das Geheimnis und die Stille dieser besonderen Finsternis.
Sie feuert an und kocht sich Kaffee, entzündet alle Lichter, hockt sich auf die Bank, dick eingewickelt in wollende Decken und Schals, und taucht ein in die Hohe Zeit.

Als Geschenk an sie beide kommt der Wolf zu ihr, überfällt sie, inszeniert ein Schauspiel von früher, vor so vielen Jahren, und sie leben und lieben es beide, innig und vertraut. Und doch gibt es auch Neues das geschieht, unerwartet eingebettet in geliebte Rituale, sie staunt. Sie beide lachen und spielen wie Kinder, und tragen gleichzeitig Rechnung dem seltenen Glück wie Alte.

Der Wolf deutet - spät, nach vielen Stunden, am Ende des Tages - seine Gedanken und Pläne an. Sie ist unschlüssig und nicht entschieden, ob sie ihm folgen wird.

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Freitag, 20. Dezember 2024
Drei Lichter strahlen in die Nacht
Früh - im kalten Dunkel - steht sie auf. Noch vor ihrem Erwachen spürt sie die Dankbarkeit, für die Antworten, die sie umfangen und sicher halten. Rasch sind die Lichter des Advent entzündet und Kaffee gekocht.
Ruhig und gezielt schaut sie auf sich selbst und die Menschen und Dinge, die sie umgeben. Den Wolf vermisst sie und gleichzeitig vermisst sie ihn nicht. Vor ihm denkt sie an ihre Kinder und sich selbst.

Alles ist vorhanden, und sie ist dankbar. Der alte Stall ist angefüllt mit Vorräten und Holz. Einige Silbertaler liegen sicher versteckt im Tonkrug. Ihre Identität, liebevoll getragen von den Geistern der Vergangenheit, blickt zuversichtlich nach vorn. Körper und Seele grämen sich nicht und tragen kostbares Wissen mit Fürsorge und Freude. Kinder, Familie und Freunde leben in ihrer Welt, und sie darf ein Teil derer Welt sein.
Sie senkt den Kopf, faltet die Hände, kehrt zurück in die unpersönliche Menge von Allem und geht gleichzeitig allein.

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Samstag, 16. November 2024
Krypta
Die Wälder vor ihrer Hütte tragen ein fettes Senfgelb, und ihre Kronen scheinen lichter zu werden. Die Kiefern umrahmen ihre Welt majestätisch und flaschengrün wie eh und je.

Der Wolf ward seit Wochen nicht gesehen. Sie ahnt seine Nachricht, die damit einhergeht, kann sie aber nicht entschlüsseln.
Still kauert sie sich in eine Ecke ihres eigenen Herzens und denkt nach.

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Sonntag, 22. September 2024
Die Zeit bleibt stehen
Die Zeit bleibt irgendwann vollständig stehen. Erntegeräusche fliegen durch die präsente Spätsommerluft bis zu ihrer Hütte hin. Sie trinkt heißen starken Kaffee in kleinen Schlucken und versinkt in den Takten der Anderwelt.

Die Früchte der Erde sind eingebracht; Pflaumen, Äpfel, Trauben, Birnen stehen als Likör in dunklen Fläschchen, als Marmelade, Kompott und Säften im kühlen Gewölbe.
Sie bringt die Strünke und Gehäuse raus aufs Feld, durch die frische und noch kühle Ankündigung der Herbsteszeit.

Ihr Herz ist umwoben mit güldenen Glücksfädchen und sie sendet dem Wolf ein Licht.

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Donnerstag, 19. September 2024
Anderland
In sich gekehrt und sacht beginnt sie ihren Tag, nach ihrer gemeinsamen Nacht. Eng liegen sie zusammen, und sie spürt seinen Atem und seine Wärme nach wie vor. Ihre Haut glitzert, und ihre Bewegungen sind beseelt und träge.

Freie Zeit umgibt sie wie ein Mantel, ein Biotop, ein riesiges Schutzgebiet, zuweilen ohne Grenzen. Sie springt hin und her zwischen Anderland und diesseits, nur durch eine mystische Klapptür verbunden, leichtgängig und schwingend. Geräusche der Natur und der zweiten Welt überlagern sich, und sie nimmt alles auf, ohne zu sondieren.

Dichte Schwaden drängen sich zusammen, sie erahnt die Sonne an der Stelle, an der der Engelmond gestern seinen Dienst antritt, gestern, als Wolf und Katze ihre Finger ineinander verschlingen. Vielleicht ist das das Geheimnis, vielleicht ist der Wolf ebenfalls heimisch an einem Ort der zukünftigen Gründe.

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Freitag, 26. Juli 2024
Katzenzeit
Ein unaufgeregter Morgen zieht sie sanft aus der Nacht hervor, die sie durchgeschlafen hat. Mit noch halb schlafenden Sinnen feuert sie an, gießt brühende Lauge in den Waschzuber für das Linnen der Arbeitswoche, nimmt sich Kaffee und kuschelt sich mit hochgezogenen Knien auf die Bank.
Feine Wasserfäden fallen senkrecht vom Himmel, ein sehr leises Rauschen erfüllt die Hütte durch die weit geöffneten Fenster.
Des Wolfes Ankunft erfolgt nicht, obwohl er so gesprochen hatte. Es schmerzt nicht, sie fühlt sich zuversichtlich und sicher.

Vielleicht wird er eines Tages nicht mehr kommen. Die Vergangenheit ist bereits jetzt fest verankert und verwachsen.

Die Zeit verweilt und bleibt für einen Moment still stehen.

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Sonntag, 21. Juli 2024
eine Liebe
Sie gleitet in den Morgen, und der Morgen gleitet in sie. Sie liebt diese ruhigen fließenden Stunden, in denen die Dinge mit allen Dingen verbunden sind, und sie dazugehört zu diesen Dingen. Zwar hat sie Pflichten an diesem Tag, aber am Folgetag nicht, und noch weiß sie nicht, dass er ihre Pläne verwirbeln wird.
Kaffee erweckt ihre Sinne, sie werkelt in der Küche und backt einen großen Obstkuchen, mit vielen süßen Streuseln darauf, schwitzt beim Anfeuern und schiebt ihn in den Ofen. Dann, noch in altem Gewand, zieht es sie nach draußen, zu den Ufern des frischenden Flusses hin, es ist bereits heiß.
Erhitzt kehrt sie zurück und erkennt von weitem schon seine Ankunft.
Er nimmt sie mit seinem weisen Lächeln in Empfang, lässt sie aus zur Wasserschüssel hin, erlaubt dann aber keine Freiräume mehr, und bewegt sich sicher und geschickt.

Sie muss sich nicht entscheiden, nicht folgen, nicht denken, alles ist einfach, sie wechseln übergangslos in ihre Welt. Er hält sie zärtlich, lange, verlässt sie nicht, umwirbt sie auch hinterher, wohl wissend, dass kein Werben nötig ist.

Später vergisst sie jede Zeit und schreckt hoch. Unter seinen Augen wäscht sie sich und kleidet sich frisch ein, verlässt die Hütte mit Kuchen und Wein für das Mütterchen.

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Samstag, 20. Juli 2024
Menschsein
Es geht ihr schlecht und auch wiederum nicht. Sie hat leidlich geschlafen in der Hitze, ihr Kopf schmerzt - aber sie hat geschlafen, und: ihr Idyll hält und stärkt sie.

Trunken tappt sie zum Feuer, bald siedet das klare Quellwasser für den geliebten, tiefschwarzen Kaffee.

Er fehlt ihr auf eine süße, leichte Weise. Sie ist sicher, bald wird er in ihren Armen liegen, und sie in seinen. Alles ist richtig, und besonders ist sie froh über seine Richtigkeit. Die Besonderheit der Projektion schießt ihr durch den Kopf und sie lächelt.

Vor der Hütte schnattert eine Drossel.

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Freitag, 19. Juli 2024
Yin und Yang
Sein wissender Blick streift ihre Gestalt, harmonisch gehen sie miteinander um. Ihre Schritte sind fest und sicher, es gelten ihre Natur und Gesetze, in ihrem Wolfs- und Katzenland.

Erst kürzlich riet sie einem jungen Mädchen, die Wahrheit immer tief in sich selbst zu suchen, und auch sie selbst folgt ihrem eigenen Hinweis, und findet sie, die Güte und deren Realität, in der Anderwelt.

Wolfes Bewegungen zeigen geschäftige Gewohnheit, und er vergisst niemals, sie zu herzen, aufmerksam zu betrachten, etwas Neues zu entdecken.

Die Katze gewährt ihm Zutritt und betrachtet ihr Leben und das verwunderliche Glück.

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Mittwoch, 3. Juli 2024
verschwundene Bilder
Längst ist sie keine Katzenprinzessin mehr. Viel Zeit, viel Zeit ist vergangen.
Wolf und Katze liegen nah zusammen, vertraut, innig, liebend, wild. Trunken lässt er sie zurück, still, befriedet, sicher.
Sie vertrauen sich ihre verborgensten Geheimnisse an, studieren sich, diskutieren, preschen voran, fallen zurück, wartend, lächeln leise und lachen zuweilen laut.
Alle Küsse gelten für den Moment und für die Ewigkeit.

Nachts facht sie die Glut erneut an, so ruhen sie nackt in nur feinen Leinen.

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Montag, 20. Mai 2024
Zäsur
Sie erreicht das Langhaus der ehemaligen Familie, das sie, die Söhnerin, einst verließ. Dort verdunkelt die schwarze Nachricht alle Fenster, und sie ist froh, grade jetzt eingetroffen zu sein.
Ein langer Tag bricht an. Leichenhemd und letzte Dinge werden zusammengetragen, ein letzter Dank und Kuss begleiten den Aufbruch des Schwähers, der Bestatter wird gerufen; kleine Depeschen mit Todesnachrichten lösen sich nur zögerlich, jede einzelne sorgsam bedacht, betrauert und lang zurückgehalten.

Spät, sie sitzen im leeren Haus, spricht er es aus. Eine Ära geht zuende. Sie entfleucht, sanft, hintergründig, mit Macht, unaufhaltsam, unumkehrbar. Was wird nun Rahmen geben, wo die Alten, Sicheren, Sichernden, weg sind? Die Dinge sich rasend schnell ändern werden, verschwinden werden?
Sie sitzen am schweren hölzernen Tisch, so wie tausend Mal zuvor, still, ohne Antwort, ohne Resonanz. Der Vater ist auf der Reise, der letzten, die ihn mit der Mutter zusammenbringen wird. Sie bleiben allein zurück.

Sie verbringen viel Zeit miteinander, manchmal schwelgend, und auch schweigend. Eine heilige Zeit, aus der alle ausgeschlossen sind. Einen Tag pflanzen sie frische Blumen und säubern den Hof, später geht sie zur Grabstätte der muoter, legt einen blühenden Zweig auf das kalte erdige Dach.

Am Nachmittag nehmen sie Platz am Stammplatz der Sippe, an der sie bald 100 Jahre gesessen haben. Ein ewiges Licht beleuchtet die Liturgie, sie reichen sich feines Gebäck und starken Kaffee, sitzen da, als wären sie selbst die Alten.

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Samstag, 4. Mai 2024
Allein sein
Ein Besuch beim Barbier beschert ihr ein paar freie Tage in der Hütte. Ein sauberer kunstvoller Eingriff, ein fester Verband, etwas Schonung, sie erträgt alles gut und ist schnell wieder auf den Beinen, so, wie sie es von sich kennt und erwartet.
Die Tage in Clausur haben ihre Wirkung, und sie spürt: sie muss und sie will mehr allein sein.

Am fünften Tag, der frühsommerlich und frei vor ihr liegt, liebt sie die Langsamkeit der Zeit. Sie verräumt das Geschirr vom Vortag, kocht sich starken schwarzen Kaffee, trinkt ihn vorsichtig in kleinen Schlückchen, und plant einen Marsch in die Welt.

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Freitag, 26. April 2024
Wolfskatze
Sie erwacht, die Wolfskatze.

Weit draußen, die Welt zurückgedrängt, spürt sie ihren eigenen Geist, ihren wahrhaftigen Kern, denkt ihre Gedanken und sieht ihr Herz. Heil und zufrieden neigt sie ihren Kopf, sendet das Gute hinaus zu den Zielen derer Bestimmung, sieht nicht hinterher, steht auf, feuert an, kocht schwarzen, starken Kaffee.

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