Freitag, 29. Oktober 2021
gesegnete Pracht
Erst weit nach Tagesbeginn gibt die Nacht sie frei. Kein drückender Gedanke ist ihr nachgefolgt, sie ist erholt, frei, unbeschwert. Ein wenig schläfrig tappt sie durch die Hütte, kocht Kaffee, umwickelt einen heißen Stein aus der Glut vom Vortag mit Tüchern und legt ihn sich an die Füße, hüllt sich selbst in wollene Plaids und setzt sich bei weit geöffneten Fenstern, durch die die helle, sonnige, kalte, geschäftige Herbstluft hineindringt, an den sauber gescheuerten Tisch.

Die herrliche, friedliche und stille Nacht bestärkt sie darin, allein ihr Glück in ihrer Hütte zu lieben und niemanden näher kommen zu lassen.

Eine Meise hüpft auf ihr Fensterbrett und beäugt sie neugierig. Aufmerksamkeitsheischend springt sie hin und her, und scheint sie auf die fehlenden Körner hinweisen zu wollen.
Die Vögel haben sie im Sommer wenig beachtet, kaum dass ein Federwesen ihrer Hütte näher kam. Sie atmet die frische Luft tief ein, prüfend auf das Wissen der Jahreszeiten, das in jedem Hauch enthalten ist, wickelt sich dann aus ihren Decken und holt die sorgsam getrockneten und gelagerten Futterrationen aus dem Vorratsschuppen und legt etwas für die zwitschernden Gesellen aus.

Auch wenn es kalt ist, wabert die Zeit träge und zähflüssig wie in einem späten Hochsommertag vorbei, verlangsamt, und sie genießt sie, ebenfalls gemächlich und versunken, ohne zuvor und danach, nur mit Kaffee.

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Dienstag, 26. Oktober 2021
Styx
Vermehrt gehen ihr Überlegungen durch den Kopf, bedrücken sie etwas. Nicht destruktiv, dafür fühlt sie sich zu frei und unabhängig.
Sie erinnert sich gut an einen Moment, ab dem sich die Zweifel wieder verstärkt eingestellt haben. Bereits früher hatte er eine kosende Bemerkung verwendet, die er gleichermaßen zärtlich, überzeugt und für sie glaubhaft aussprach. Nun gebrauchte er die gleichen Worte, doch die Formulierung wirkte auf sie wie auswendig gelernt, aufgesetzt, ohne Herz, ohne echte Liebe.

Ihr ist klar, das ist ein Ende.
Vertrauensvoll gibt sie sich mit Ihren Gedanken und Erkenntnissen hinein in die Zeit und in das Leben - ein bisschen kommt es ihr vor wie das ungeduldige Warten auf eine Geburt.

Wieder ist sie dankbar, dass nicht sie von ihm erwählt wurde - sie weiß genau, dass allein dadurch ihr eine Wiederholung von unangemessenem Leid erspart wurde. Sie ist froh, nicht als Erfüllung eines anderen Träume zu fungieren, und nicht der Last von Erwartungen ausgesetzt zu sein.

Dennoch wünscht sie sich ein Gegenüber, jemand zum Teilen eines Stück des Menschenweges. Sie zweifelt, dass es so jemanden gibt, klug, fein, männlich, fehlerbehaftet?
Unschlüssig wirft sie einen Blick zurück.

Noch hat sie es nicht geschafft, den Wolf wegzuschicken.

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Sonntag, 24. Oktober 2021
im Dunkeln liegende Richtung
Kerzen wetteifern mit der Morgendämmerung. Ein weißlicher Eishauch liegt über den Wiesen. Sie sitzt am gescheuerten Holztisch, vor sich heißen Kaffee und ihr Schreibzeug, und hängt ihren Gedanken nach.

Warum schafft sie es nicht, die Liebeszeit mit dem Wolf zu beenden?

Wie lange stellt sie sich diese Frage schon?

Irgendwann seufzt sie und entscheidet ein weiteres Mal: solange sie nicht sicher ist, was sie tun möchte, wird sie nichts tun. Das Wissen wird sich schon einstellen, oder irgendetwas anderes.

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Segen
Jede Nacht schläft sie gut und lange. Es gibt einen entscheidenden Unterschied zu ihren Nächten zu der Zeit, in der sie noch im Wald gearbeitet hat. Keine harten Worte und Häßlichkeiten begleiten sie mehr in die Hütte, ihre Seele fliegt unbeschwert zwischen Schaffen und freiem Leben hin und her, sie erholt sich in der nächtlichen Finsternis und genießt die Morgen und Abende und die Herbstage.

Ihr zu verrichtendes Werk liegt nun im Moor. Es gilt, Torfteile, Moore, Kräuter und Insekten für Tinkturen und Heilmittel zu sammeln und vorzubereiten. Umsichtige und wohl kluge Menschen findet sie dort jeden Morgen vor, manche sind still und hantieren wortkarg und fortwährend vor sich hin. Aufmerksamkeit und Verstand gehören genauso wie Wissen und Erfahrung an diesen Ort; gespannt und wach verfolgt sie alle Handgriffe der anderen und zieht ihre Schlüsse. Manches Mal nähert sich ihr ein Weib oder ein Knecht mit zerfurchtem Gesicht, führt ihre Hand oder deutet erklärend auf eine Mulde oder zeigt ihr ein Werkzeug. Sie lernt schnell und wird täglich ruhiger und geübter, Segen stellt sich ein.

Sie ist dankbar und froh, fügt sich ein in die neue Gemeinschaft, stellt Können, Stärke und Willen in deren Dienst und gewöhnt sich schnell um.

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Samstag, 23. Oktober 2021
gut und schlecht
Lange schläft sie in den wolkenverhangenen, ereignislosen Tag hinein. Dieser Herbstmorgen gibt sich trotz seiner farbigen Blätter und feuchten Kühle von seiner Stimmung her eher wie ein Spätsommertag, die zäh und langsamer vergehen als andere Tage, so als wäre alles unendlich lang und das Vergehen der Zeit ohne jeden Belang. Ein Handgriff hier und da, Linnen und Tücher in den Waschbottich zum Einweichen, heißer Kaffee - sie lässt sich Zeit, entzündet ein Licht und fügt sich ein in die gelassene, schleppende Weile.

Ein weiterer Versuch einer Ablösung vom Wolf ist vergangen. Sie probiert es hintergründig, versteckt, kann sich eine klare Konfrontation nicht vorstellen - und so ist es auch ein weiteres Mal. Anfangs ist sie guten Mutes, legt seinen Ring in ein Kästchen, und meint ihn in den Hintergrund rücken zu sehen. Doch die Tage, die vergehen, rücken ihn Stückchen für Stückchen zurück, und als er eintritt in die Hütte legt sie ihre Hand in seine und ihre Lippen verfließen zu eins.
Sie erzählt ihm alles, was sie gedacht und gefühlt hat, sie lieben sich warmherzig und sicher, und anderntags legt sie seinen Ring wieder an.

Die nicht stimmigen Gedanken schiebt sie - in Ermangelung einer Alternative - weg, und überlässt sich dem Leben, bereit für das Gute und für das Schlechte.

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Samstag, 18. September 2021
die Grenzen verschwimmen
Die Übergänge verwischen. Ist er da? Ist er nicht da?

So und so. Es ist gut. Sie liebt ihn, einfach, still, ruhig.



Bei ihrer Heimkehr erkennt sie schon von weitem seine Anwesenheit. Er liebt sie, sofort, lässt sich nur schwer um etwas Raum, Zeit, ein wenig Geduld bitten. Sie geht auf in seiner Liebe, in ihm.
Er lässt sich Met servieren, fragt sogar danach.

Sie kocht sich süßen, heißen Fruchtkuchen.

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Sonntag, 29. August 2021
Sommersonnenwende
Am Abend nimmt sie sich etwas von dem Most aus Trauben, es ist ein alter, vergorener Saft aus hiesigen Landen, den sie von einem Landarbeiter erhalten hat. Er schmeckt ihr nicht besonders, wie alle Reben aus der Gegend; aus dem Süden müssen sie sein, dann scheinen sie ihr wie eine Explosion auf der Zunge.
Sie entzündet ein Licht in dem gefärbten Kristall ihres Mütterleins, rosenfarben bricht sich das warme Glitzerlicht in ihre Stube hinein.

Sie hatte sich schwergetan mit der Verabschiedung ihrer Jugend. Auch im Nachhinein schien ihr die Aufgabe nennenswert, und sie ist froh, es gut gemacht zu haben.
Schon immer, solange sie denken kann, nach dem Vorbild der Mutter und der Schwestern, färbte sie sich die Haare mit heißem Wurzelbrei, so dass sie glänzten und strahlten, in tiefen kastanienfarbenen Tönen.
Vor wenigen Jahren hat sie damit aufgehört. Helle und weiße Bahnen wachsen nun durch ihren Schopf.

An diesem Punkt bemerkt sie es: Es ist der beste Punkt. Sie kann sehen, sie kann entscheiden, sie kann ausschließen, sie kann gestalten, und alle diese aktiven Handlungen basieren und entspringen aus Sehen und Wissen. Ein Tuch hat sich gelüftet. Was nützte ihr die Jugend, die ihr Abhängigkeit, Unsicherheit, Missbrauch, Gebeuteltsein brachte?
Ihre Augen glühen, mit größerer Kraft denn je, und sie lässt sie leuchten und richtet sich gerade auf.

Erneut schläft sie tief und lang in der Nacht, erwacht nach 10 Stunden, öffnet alle Fenster und erhält das Regenrauschen der Welt, kocht sich Kaffee.

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Samstag, 28. August 2021
Miniaturwelt
Wieder erreicht sie erst spät und aus schwarzen Tiefen des Nichts heraus den Tag. Alle Fenster werden geöffnet, und sie späht suchend heraus, prüft den Geruch der Luft: noch keine Spur vom Herbst kündigt sich an, es ist frisch und unschuldig Sommer, so als würden sich die Jahreszeiten niemals ändern.

Ihre Glieder sind müde, ihr Geist nimmt nur langsam seine Arbeit auf - doch sie ist elektrisiert vom Leben, von der Zukunft, von der Liebe und dem Positiven.

Ihre perfekte, in allen Details geordnet, die, wie sie flüchtig betrachtet, alle höchst unwichtig sind, im Kontext zu der Gesamtheit allen Seins. Ungeachtet dessen kleidet sie sich in warme und wollene, leichte Kleidung, nimmt sich von dem frisch duftenden, heißen Kaffee, streicht über das weiche helle Holz des schweren Tisches, lässt sich nieder und legt ihre Beine hoch.

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Sonntag, 22. August 2021
Eine Liebe, von Beginn an unspektakulär
Sie hat irrsinnig lange geschlafen, bis weit in den Vormittag hinein. Es herrscht Frieden in ihrem Leben, nicht nur sonntags, die Ära Wald mit doch erheblichen menschlichen Querelen ist beendet, und auch innerlich hat sie ihren Abschluss gefunden.

Ein sehr gutes Gefühl; es ist neu, und sie begrüßt es.

Gleich nach dem Aufstehen feuert sie wie gewöhnlich an, tappt mit nackten Füßen hin und her, kocht Kaffee, und setzt Wasser für die gestern auf ihrer Wandertour eingesammelten jungen Kartoffeln auf. Heute wird sie kochen und backen, und leckeres Essen und Kuchen und Gebäck mitnehmen, morgen, in die Steppe und zu den dort schaffenden und mühenden Menschen. Sie wird alles teilen und sich der Gruppe anschließen.

Der Wolf hat sich angekündigt, in ihrem Fenster leuchtet das von ihr entzündete Licht. Sie weiß nicht, wann er kommt, und es ist ihr nicht wichtig. Ihr fast unmerkliches Lächeln glättet ihr Gesicht, ihr Herz ist ruhig und sicher.

Sie setzt sich ans offene Fenster an den blankgescheuerten Tisch, legt die Füße hoch, trinkt kleine Schlucke des heißen schwarzen Kaffees und wendet sich ihren Schreibsachen zu.

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Samstag, 21. August 2021
Neues und Bleibendes
Der Abendspaziergang am Vorabend beschert ihr einen mystischen, milchigen Feuerballuntergang, und auf ihrem Rückweg einen gegenüberliegenden, genauso brennenden, formgleichen Mond. Sie fällt in einen immer wieder unterbrochenen, wenig erholsamen Schlaf und schläft morgens länger als üblich.
Die Waldarbeit hat sie endgültig hinter sich gelassen, und auch wenn sie einige der erd- und naturverbundenen Menschen dort misst, denkt sie nur wenig zurück.

Im Herzen begleitet sie der Wolf, seine Worte liegen sorgfältig gehütet und ordentlich sortiert in ihrem Inneren, und seine erste Nachricht nach ihrem Wechsel liegt bereits in ihrem Körbchen.

Seit sieben Tagen nun geht sie in die weite Steppe, empfängt die neuen Aufgaben, genießt den fernen Horizont und die Tiefen des Umlands, knüpft zaghaft das eine und andere noch vage Band.

An diesem Morgen erwacht sie in einem seltsam leeren Zustand. Die automatischen Handgriffe erfüllen sich von selbst, und die unbemerkt wirkenden Mechanismen des Universums umgeben sie mit Schutz und Geborgenheit. Es fehlt das Gedanken- und Gefühlsgewitter, es ist einfach nichts in ihr. Sie tappt durch den brachen Morgennebel, und es braucht lange Zeit, bis sie den Anschluss zu den Dingen wie der Sommerluft, den erst zurückhaltenden gräulichen Farben der Frühe und den Singsangtönen der Vögel findet.
Der tiefschwarze, dampfende Kaffee und die durchbrechende Sonne helfen ihr, und nach dem zweiten Humpen erwachen Leben und ihr Geist gleichzeitig. Dankbar und in Vorfreude auf und über den Wolf genießt sie die Fülle der Zeit und das heiße Getränk gleichermaßen.

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Freitag, 13. August 2021
gefunden
Weg zu mir selbst - sie hat sich selbst erreicht. Längst ist sie angekommen, sieht sich staunend und abenteuerlustig um, stellt das eine oder andere um, findet auch Trauriges und schlechte Dinge - bewusst wird ihr alles erst sehr viel später.
Dass erst das Alleinsein diese Ankunft bedingt hat. Dass die Menschen früher bereits gestorben sind, bevor sie diesen Lebenspunkt haben erreichen können. Dass alle Ängste vorher unnötig waren. Dass es herrlich ist bei sich selbst. Und dass sie sich niemals wieder Dinge bieten lässt, nur aus Angst vor dem Alleinsein mit sich selbst.

Der Wolf fällt ihr ein. Er war ihr Begleiter auf diesem Weg. Sie unterdrückt ihren Impuls, in das Briefe-Körbchen zu schauen, so wie sie es sich versprochen hat.

Immer noch nicht mag sie ihn loslassen. Selten fragt sie sich - wie jetzt - nach der Zukunft.
Sie wischt den Gedanken weg und blickt in den leeren Kaffeekrug.

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Dienstag, 10. August 2021
Zeit wie ein Edelstein
Verhangen beginnt der Tag, nicht glühend wie der letzte Morgen. Die Hütte glänzt und glitzert mit ihrer Ordnung und der Sauberkeit, die sie gestern geschaffen hat. Vom Dach tropfen die Überbleibsel des Nachtregens, und der dampfende Kaffee begleitet sie in den Friedensmorgen - sie ist angekommen in der Beruhigung.

Die Stimme eines Spechtes schallt aus dem gegenüberliegenden Wald herüber, aufgeregt betschilpt er die Erntearbeiten, deren Geräusche von der anderen Seite her den Wald erreichen. Als die Menschen dort eine Pause einlegen, verstummt auch sein Rufen.

Am Vortag saß sie zusammen mit einer Frau in einer weit entlegenen Siedlung, der Weg zur Schenke war hin und besonders zurück beschwerlich und lang. Sie hat die Zusammenkunft und die Gespräche genossen, die klugen Gedanken und die Wärme der Herzen, und die guten Gefühle begleiteten sie in einen tiefen und langen Schlaf.
Ein tiefer Seufzer entweicht ihrer Brust; es ist für sie eine Zeit wie ein kostbarster Edelstein. Dankbar und empfangend senkt sie den Kopf.

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Sonntag, 8. August 2021
Feuerprobe
Es steht eine Fernwanderung an, zwei Tagesmärsche wird sie benötigen. Die Arbeit im Wald hat sie beendet, und ihr neues Werk in einer fremden Bauernschaft beginnt erst in einigen Tagen. Vor ihr liegen Freiheit und Zeit.

Sie schnürt ihr Bündel sorgfältig, diesmal gehören auch Felle und Gurte zum Gepäck, für die Übernachtung; außerdem mehr Proviant. Getrocknetes Fleisch, und für den ersten Tag kalte Reste ihres Mittagsmahls legt sie dazu. Sie weiß nicht, ob sie Schenken oder Siedlungen kreuzen wird, kennt nur die Richtung und den Wasserlauf, der sie begleiten wird. Erst am Vormittag bricht sie auf.

Die ersten bekannten Wege läuft sie leichtfüßig und froh. Ihre Gedanken schweifen ab, und sie freut sich auf die Reise. In späteren Stunden orientiert sich sich am Sonnenstand und an dem blassen Mond und findet ihren Weg fehlerfrei. Ihr erstes Ziel ist ein Bachdelta, wo sich ein Rinnsal aus Salzwiesen mit einem kleinen Dorfbach zu dem Flüsschen vereinigt, das ihr die Richtung weisen soll. Einen Zulauf findet sie fast durch Zufall, und ihre Berechnungen erfüllen sich exakt. Sie folgt dem Wasser, zu einem Teil durch dichtes Gebüsch, dass sie langsam und geduldig durchquert, und erreicht die Zusammenkunft der Gewässer und den Ursprung der neuen Wasserader am frühen Nachmittag.
Sie folgt dem Verlauf eine kurze Zeit, bis sie ein schönes Plätzchen für eine erste große Rast findet, entledigt sich der Schuhe und labt sich ausgiebig an Essen und Trinken. Dann prüft sie den Himmel und die angezeigte Richtung, vermutet den Bachlauf zu linker Hand und findet ihn gleich nach ihrem Aufbruch wieder. Erholt setzt sie ihren Weg fort.
In der Ferne sieht sie ein riesiges Herrenhaus. Sie wandert an abgeernteten Feldern vorbei, durch kühle Wälder, und genießt die unbekannten Ländereien. Viele wilde Tiere begegnen ihr, ein Fuchs auf der Jagd lässt sich nicht beirren, Reiher, Kitze kreuzen ihren Weg, und mache Tiere hört sie lediglich, wie Kibitze und Spechte und tausend andere Vögel.

Sie läuft weiter bis zur Erschöpfung und in die Dämmerung hinein. Nun hält sie die Augen offen und findet ein für die Nacht geeignetes Plätzchen; zu drei Seiten umschlossen von hohen Feldfrüchten, die noch nicht erntebereit sind, ein kleiner Waldflecken. Dort wählt sie eine ebene Stelle mit weichem Boden mit Waldnadeln und Moosen, zieht sich verborgen zurück und schlägt ein Nachtlager auf. Felle geben Schutz vor Kälte vom Boden her, und sie spannt sich ein Dach ab, falls Regen fallen sollte. Bislang sind nur vereinzelt ein paar Tropfen gefallen, wegen denen sich noch nicht einmal einen Umhang umgelegt hatte. Sie bettet sich und ist erschöpft, und lauscht den ungewohnten Geräuschen der Natur. Dreimal hört sie Jäger, sie ängstigt sich etwas, schläft dann fest ein.
In der Nacht erwacht sie oft, einmal liegt sie mehr als eine Stunde wach und ersehnt den Morgen und den Aufbruch. Wandern, weiterziehen, den Ort verlassen, wo sie gefunden werden kann. Schließlich schläft sie erneut ein und ist erholt noch vor dem Sonnenaufgang und dem Schrei des Hahns des nächsten Hofes.
Sorgfältig faltet sie ihr Nachtlager zusammen, schnürt ihr Bündel, prüft sorgfältig den Ort auf Zurückgebliebenes und verlässt ihn erleichtert, startet in den frühesten Morgen. Nur am Horizont steht ein schmaler Feuerstreif, die Welt liegt im Dunkeln. Der Bauer des nächsten Hofes sieht sie erstaunt vorbeiwandern, und gibt ihren fröhlichen Gruß freundlich zurück. Langsam stottert sich der Tag heran, herrlicher Frieden und Stille erfüllen sie mit Glück und weitem Herzen. Auf freier Ebene entzündet sich ein kleines Feuer, kocht sich etwas Wasser und bereitet sich einen Kaffee zu. Sie wäscht und kämmt sich, fühlt sich so etwas wohler, genießt den Morgen, die Natur und die Freiheit, und denkt gleichzeitig an die Hütte, die Hütte, mit ein bisschen Sehnsucht denkt sie daran.
Der Wasserlauf, der kleine, hat sich zu einem beachtlichen Flüsschen gemausert. Sie kommt gut voran und hat am frühen Vormittag - Händler und Handwerker beginnen ihr Tagewerk - den Haupteil der Strecke bewältigt. Sie kehrt ein in eine Schankstube, die zu dieser Tageszeit noch vollkommen leer ist. Die Wirtsfrau bringt ihr einen großen Humpen dampfenden Kaffee, und gleich danach noch ein heißes Gebräu. Nach einer kleinen Vesper flaniert sie neugierig entlang der Stände der Krämer und Töpfer, erwirbt aber nichts und bricht auf zur letzten Etappe.

Bald sieht sie die Spitze des Kirchturms; schon mittags erreicht sie ihr Ziel. Sie ist froh, erledigt ihre Pflicht, und lässt sich erschöpft nieder und streckt die fleißigen, nun doch müden Glieder von sich.

Lange muss sie nicht warten; ein Fuhrwerk hält an und nimmt sie zurück in die Heimat. Heim. Herrlich!

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Sonntag, 1. August 2021
hauchzartes Paradies inmitten der Welt
Kätzchen-Prinzessin - sie ist seine Kätzchen-Prinzessin. Dieser Gedanke huscht durch ihren Kopf, und als sie das bemerkt, stellt sie gleichzeitig die damit verbundene Gefahr fest. Insgeheim glaubt und hofft sie, seine Kätzchen-Prinzessin zu sein und es ist wichtig für sie selbst, dass sie die Möglichkeit, dass er ganz anders denkt und fühlt, immer wieder in Betracht zieht und gleichermaßen annimmt.

In der Hütte herrschen gewohnter Frieden und Ordnung. Sie backt und wäscht und hantiert herum, sammelt Beeren, grüne, rote, schwarze, und mengt diese zwischen die Apfelstückchen und den Zimtstaub auf dem Kuchenteig. Sie walkt den Hefeteig, röstet Samen und Körner und knetet sie unter. Der Kuchen kommt ins Backrohr am Ofen, der Brotteig zum Gehen davor. Linnen und Kleidung werden gewaschen und getrocknet und sauber gefaltet verräumt. Draußen herrscht Sommer. Fetzen von Erntegeräuschen fliegen herüber. Ab und an hüpft eine vorwitzige und furchtlose Meise von dem Fensterbrett in die Stube, beäugt ihr Tun und Schaffen, und fliegt zurück auf ihre Seite der Welt, schnappt sich schnell ein Korn und segelt davon.

Sie hat lange geschlafen am Morgen, ein untrügliches Zeichen von innerem Frieden. Missgunst und Streittreiberei liegen hinter ihr und können ihr nicht folgen.
Sie schnürt ihr Säckel und bricht auf.

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Freitag, 30. Juli 2021
die Burg der Riesen
Am Abend - sie ist rechtschaffen müde - kreuzt kurz der wünschende Gedanke nach den Geräuschen seiner Ankunft in ihrem Kopf, wie so oft.

Und in der Nacht hört sie ihn. Leise nähert er sich dem Haus, schleicht herein, entledigt sich seiner feucht riechenden, ledernen Kleider, berührt zärtlich und sorgsam - er will sie nicht schrecken - die Spitzen ihrer Finger, und drängt sich dann mächtig an ihre Seite.
Haut an Haut liegen sie zusammen, Lippen an Lippen, ruhig, ankommend, miteinander verwoben.

Er liebt sie, lässt sie ihn lieben, folgt ihrem Tempo und ihren Gedanken, um sie schlussendlich zu besiegen und in ihren und seinen Schauern aufgehen zu lassen. Liebevoll versinken sie in ihren Enden, ein jeder in seinem, und verlassen nur ungern ihre kostbare, gemeinsame Burg.

Später zupft sie wohl an seiner Haut, streicht ihm über Brust und Rücken, verwendet Öle aus der Anrichte beim Ofen, die sie aus Mandeln ausgestrichen hat, reibt sie auf Hände und Füße, und lässt ihn fühlen und abschweifen in seine Anderwelt.
Er schläft ein und sie bemerkt, dass er nicht wie sonst noch in der Nacht aufbricht. So legt sie sich zart an seine Seite und liegt lange wach neben ihm, jede Faser und jeden Moment nachspürend und überprüfend. Endlich versinkt auch sie in Schlaf, bis in den frühen Morgen.

In der erst zaghaften, noch roten, später warmen, sicheren Morgensonne lieben sie sich, reden, albern ein wenig, waschen sich, auch gegenseitig, am Zuber, und übersehen alle Regeln. Sie bringt ihm einen schweren Krug voll von sahniger Milch, den er bis auf den Grund leert.
Irgendwann steht dann doch ihr Aufbruch an, ihr Start in den Wald. Er folgt ihr, umfängt sie, küsst ihren Hals an den rückwärtigen Stellen, an denen sie seine Küsse besonders liebt, dreht sie zu sich und sie sieht seinen Blick. Sie kennt diesen Blick, und wieder gibt sie sich ihm hin, lange, zauberhaft, und dieses Mal wird für sie beide besonders innig. Beiden entfleucht ihr Innerstes, und beide haben sie kaum Anteil und keine Macht über das Geschehen.

Still bleibt er liegen, fällt in Schlaf. Leise tappt sie zur Tür, startet ihren Weg gen Wald.

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