Sonntag, 28. März 2021
Das achte Jahr
Er fehlt ihr. Das 'Jetzt', das grad entsteht, erscheint ihr leer ohne ihn. Sie nimmt es dem Universum ab wie das Mus dem Fleischwolf und lebt es behende und gewandt.

Erneut - zum tausendsten Mal - bereitet sie sich darauf vor, ihn loszulassen.

Das achte Jahr beginnt.

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Donnerstag, 25. Februar 2021
hautnah an der Entstehung des Jetzt
Sie erwartet seine Nachricht, und diese trudelt ein. Sie beschließt die Arbeit, wandert zur Hütte, erledigt die gewohnten Handgriffe zum Tagesende, und kuschelt sich nah der Feuerstelle gemütlich ein.
Es dauert einige Zeit, bis er eintrifft, und sie fremdelt etwas. Er, gelassen und beruhigend, entschleunigt, verlangsamt die Zeit, bereitet den Rahmen, lässt sie ihn lieben, bis das erste Mal vorüber ist, das erste Mal, das sie scheut und manches Mal fürchtet.
Dann, auf gleicher Höhe, lieben sie sich, zuweilen mit den Körpern, und auch mit den Herzen, den Seelen, dem Verstand.
Er schenkt ihr viel Zeit, sie schenkt sich her, so wie er es mag.
Viel Gewohntes ist dabei, genügend für Freiheit und Offenheit, einige Erinnerungen fallen ihnen ein, und unbemerkt entsteht Neues, Besonderes, einem Fabelwesen ähnelnd. Dazu passt die Geschichte, die er leise sprechend nebenbei erwähnt.

Gelöst entsteht die Gegenwart.

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Freitag, 19. Februar 2021
beruhigender Blick
Seine Nachricht liegt im Körbchen, klein, unscheinbar, leuchtend, versehen mit seinem hintergründigen schönen Lächeln.

Ihre Pflichten verhindern ihren Exkurs, doch sie ist sich seiner lieblichen Begleitung sicher.

Stille tritt wieder ein, ohne jeden Ton.

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Sonntag, 14. Februar 2021
ohne
Er fehlt ihr.

Oder ist es einfach Gesellschaft, wärmender Kontakt, die ihr abgehen?
Sein Herz rückt mehr und mehr in die Ferne, immer weiter weg von ihr.

Keine Nachricht von ihm im Binsenkörbchen.

Sie wird den Tag genießen, angefüllt mit handwerklichen freudebringenden Tätigkeiten, und sie wird seine Abwesenheit vergessen.

Ein wenig Frösteln überkommt sie, sie schürt das Feuer an und holt sich eine weitere Tasse Kaffee.

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Donnerstag, 4. Februar 2021
Wolfsliebe
Sie übereinkommen mit heimlichen Blicken, sie erreicht die Hütte vor ihm.

Sie nehmen sich nur wenig Zeit.

Sie ist etwas aufgeregt, er legt seine Hand auf ihre Mitte.

Es ist wie immer anders als alle anderen Male, sie ist aufgeregt und ruhig zugleich.

Sie sind zusammen, vorher, jetzt, und nach ihrem Treffen.

Sie küsst ihn liebevoll.


Müdegeliebt sinkt sie später in ihre Kissen. Sie schläft traumlos.

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Dienstag, 2. Februar 2021
Mantra für Heil
In der Nacht bricht sie auf zu einer kleinen Gute-Nacht-Tour durch die Dunkelheit. Sie geht am Rand des Waldes entlang, zu dem die Lichter der Siedlung hinüberscheinen und sie geborgen einschließen, und durchquert auf ihrem Rückweg die Ansammlung der Hütten.
Frische klare Luft bringt Freiheit und Entlastung, und sie huscht schnell in die Wärme zurück, nimmt ein weiteres, dickes Federbett aus der Truhe, bezieht es mit sauberem Leinen und kuschelt sich unter den Daunenberg.

In der Nacht finden ihre müden Glieder und Gedanken Erholung und Kräfte, sie schläft bis weit in den Tag hinein.

Erstaunt hängt sie morgens die Tücher von den Fenstern ab und blickt in den herrlichen, farblosen Tag. Sie lüftet alle Räume, feuert an, kocht Kaffee und setzt die am Vortag gewässerten Hülsenfrüchte zum Auskochen auf den Ofen. Sie spürt die wohltuenden Dinge, genießt sie und fühlt ihnen nach, sorgfältig und aufmerksam, und setzt sich dann intuitiv hin und notiert ihr ganz persönliches Mantra für Heil:

Zeit
Frieden
Stille
Liebesmann
ihre Kinder
Familie
Lebensmann
Herzensmenschen
Einswerden mit der Natur auf langen Streifzügen
gutes Essen
existentielle Sicherheit
ihre geliebte Hütte

Am Ende sieht sie hoch zu dem tönernen Krug, in dem sich mittlerweile einige Taler befinden, die erst ihrer Sicherheit und später vielleicht zur Verwirklichung des einen oder anderen Traumgedankens dienen können.

Verwundert blickt sie auf die Reihenfolge, die tief in ihrem Herzen entspringt, und nimmt sie an.

Ein zweiter kleiner Krug Kaffee begleitet sie in den Tag.

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Sonntag, 24. Januar 2021
Kirche des Herrn
Sie gelangt in den Tag, behutsam, gleich einem Märchenwesen, zauberhaft. Die Hoheit über das Böse, das, das zerbrechen und schwächen will, liegt in ihrer schmalen Hand, sie hat die Macht, den Eintritt zu verwehren, und sie versagt ihn bestimmt.

Ein ruhiges, beschütztes Gefühl erfüllt das Dasein - wo ist sein Ursprung? Sendet Gott die Gewalt und die Behütung? Entsteht gar alles in ihr selbst, unbemerkt und aus allmächtiger Quelle?

Sie sammelt sich, besinnt sich in heiliger Stille, bereitet sich vor auf ihre Tour in die Natur, des Herrn andere Kirche.

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Samstag, 23. Januar 2021
Blick in die Zukunft
Schäbig und zäh zieht sich der schmutziggraue Fluss der düsteren Winterzeit, viel zu langsam, durch ihrer aller Leben. Die Menschen versammeln sich abends um ihre Feuer, reden, fertigen Handarbeiten an, tischen Erntevorräte auf, ersehnen das Frühjahr, das Ende des dunklen Einerlei.

Auch an ihren freien Tagen steht sie früh auf, es ist stockdunkel. Unter der Asche findet sie etwas Glut, legt ein paar Späne darüber, die Flamme springt an. Vorsichtig nährt sie das Feuer mit kleinen Hölzern und Scheiten, um es nicht zu ersticken und hängt den Kessel darüber.
Am frischgescheuerten Tisch entzündet sie ein paar Stumpen, bereitet später den Kaffee, lässt sich gemütlich nieder und beginnt ihren Schriftverkehr.

Ihr Liebesmann begleitet sie in ihrem Herzen, an der Seite ihrer Gedanken. Er tut es hintergründig, nicht mehr bedrohlich, es ist warm und bereichernd, steht außer Frage.
Manchmal legt sie ihm morgens im Wald ein Stück Obst hin, an die Stelle seines Arbeitsbeginns, und kennt sein stilles Lächeln, auch wenn sie es nicht sieht.

Je älter sie wird, um so weniger begierig ist sie zu erfahren, was die Zukunft so bringt.

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Donnerstag, 21. Januar 2021
ein Los
Kummer und Beklemmung zeichnen ihre Tage, die Nacht wird zum Dämon, sie kämpft, und ächzt unter der Schwere des Streits.

Sie begegnen sich im Wald, ein kurzer Augenblick, und sie erwähnt ihren Enge und Bürge, nur ein Halbsatz, eine verstohlene Botschaft, die nur er entschlüsselt.
Als sie abends ihren Heimweg antritt, findet sie seine mahnende Nachricht und freut sich über seine Fürsorge.

Beim Erreichen der Hütte erkennt sie schon von Ferne seine Anwesenheit. Feuerfahnen hängen über dem Schlot, heimeliger Schein leuchtet aus den Fenstern ihr entgegen. Jetzt erst versteht sie die verborgene Bedeutung seiner Erinnerung und den lockenden Charakter.
Bald schlüpft sie unter die warmen Decken und Felle und taucht ein in ihre gemeinsame Liebeswelt, in der er sie hält und kost, in der sie lachen und schwatzen und ruhen und übereinstimmend schweigen.

Wie immer verfolgt er seinen eigenen geheimen Plan, sie folgt ihm, manchmal tastend, verhaltend, aufmerksam, genussvoll, manchmal stürmisch, begeistert und alle Vorsicht über Bord werfend. Sie liebt ihre Blicke, das Nachhausekommen in ihren Augen, die ruhige und unaufgeregte Vollkommenheit des Augenblicks, in dem ihre Körper so flächig und eng wie möglich aneinanderliegen, wie ein Yin und Yang. Sie genießt die Küsse, von denen sie unendlich viele erhält und vergibt. Wohlig fällt sie in die Tiefe des Edengartens, dessen Reichtümer entstanden sind durch flüchtige Attribute wie Zeit, Zufall und Liebe.

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Mittwoch, 13. Januar 2021
Zeichnung
Morgens ist sie fast sicher, dass ihre Liebesgefühle schwinden, und mittags lebt sie auf mittels seiner Silhouette, einem kurzen Lächeln.

Er zeichnet sie, verstohlen, mit fahrigen Strichen, und lässt das Papier beiläufig in ihrer Nähe liegen, so dass sie es finden muss.

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Freitag, 8. Januar 2021
Zwei in einer Welt
Sie sieht hin und wieder das Leid, liest davon, blickt mit soviel Ruhe und Freude in die Welt, dass sie es nicht nachfühlen kann, es erreicht sie nicht.

Er, er. Er sieht sie an, hat sie im Fokus, genießt ihr Glück, staunend, froh, manchmal fast ungläubig.

Sie durchwandern den Tag, jeder für sich, sie mit ihm im Herzen, er passt auf, präsent.

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Mittwoch, 6. Januar 2021
fünf Küsse
Sie erschrickt nicht, als sie seine Nachricht findet, ruhig und bewahrt liest sie seine Botschaft.
Sie ordnet ihre Dinge, verlässt den Wald, und als sie die Hütte erreicht, liegt er bereits nackt in ihrer Schlafstatt unter zarten Stoffen und Federn und Decken und umfängt sie warm.

Sie lieben sich, sie küssen sich, sie stärken einander, sie diskutieren hitzig, und es gibt keine Gefahr, nicht die Spur. Sie die Königin der Kelche, er ein Kelchkönig.

Es ist ein durchscheinender, unauffälliger Mantel von Glück, der sie vereint, an den Seiten der Schlafstatt herabfällt, sich auf den Dielen wellt. Sie bestellt sich fünf Küsse, er gibt ihr fünf.

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Samstag, 2. Januar 2021
Wanderweg der Neuen Zeit entgegen
Auf einen langen Wanderweg, weit in die Ferne, startet sie ins jüngfräuliche Jahr, frühmorgens. Undurchdringliche Nebel haben die tiefe Dunkelheit fest im Griff, sie kennt jeden Tritt und beginnt ihren Weg sicheren und schnellen Schritts.
Manchmal erschrickt sie über einen riesigen schwarzen Unhold am Wegesrand, der plötzlich auftaucht, mit seinen Pranken nach ihr greifend, oder zuckt zusammen, wenn ein Fasan unmittelbar neben ihr - laut kreischend - aufstiebt.
Später, als die Sonne die Schwaden milchig malt, fühlt sie sich geborgen, umhüllt von natürlichem Schutz. Die Orientierung fällt ihr leicht, der Wald und die Ufer der Wasserläufe sind ihr wohlbekannt. Eine Gruppe Gänse zieht geschäftig schnatternd über sie hinweg, und das typische Klopfen eines Spechtes hebt ihren Blick und sie sieht dem zielgerichteten Treiben des gefiederten Mitgeschöpfes eine Weile zu.
Manchmal kreuzt ihr Weg das Revier eines Einzelgängers, der erst verharrt und sie starr mustert, sie einschätzt, um dann in langen, eleganten, fast verhaltenden Sprüngen davonzugleiten. Hasen schlagen fix ihre Haken und rasen über die Felder, wie es ihre Art ist.

Stoisch nimmt sie die Längen ihres Weges, sie hat einige düstere Gedanken und Gefühle im Gepäck. Sie versucht, sie zu verbieten, mit Wut in die Schranken zu drängen, doch erst mit der Zeit, mit der Zeit, verlieren diese ihren Raum und weichen Stück für Stück zurück.
Ihre erste Vesper plant sie nicht zu früh und nicht zu lang, um nicht auszukühlen. Oft geht sie querfeldein und wählt die direkte Strecke und nimmt nicht die befestigten Wege außenherum. Auf kleinen Seen schwimmen Enten und Blesshühner, und sie sieht hier und da Kanadagänse, die majestetisch zusammenstehen, mit lang aufgereckten Hälsen, und sich nicht wie die anderen Vögel von ihr aufjagen lassen.

Sie wundert sich, als sie auf Menschen trifft; durch die undurchsichtige Luft nimmt sie zuerst die Stimmfetzen wahr, lange, bevor die Gestalten vor ihr auftauchen. Ein freundlicher Gruß zum Neuen Jahr erhellt und erwärmt ihrer aller Herzen, mit diesem Lächeln findet sie zurück zu der sonnigen, behütenden und positiven Welt und sie durchschreitet dankbar das Tor dorthin. Später und immer, wenn sie auf jemanden trifft, wiederholt sie den Gruß und das warme Lächeln, das die Gemeinschaft bekräftigt und schafft.

Erst nach Stunden rastet sie das erste Mal, isst ihr Brot und trinkt die Hälfte ihres Wasservorrats. Den letzten Rest des Gebäcks kaut sie schon wieder im Gehen, denn ihre Finger werden klamm, die feuchte Kälte kriecht durch die Kleidung und in das Schuhwerk.
Die Sonne kämpft angestrengt um ihr Recht, und trocknet mühselig und unermüdlich Tröpfchen für Tröpfchen. Und dann ist er da, der weite Himmel, mit weißem Wolkentuch bedeckt, das kleine Löcher aufweist, so dass sie die tapfere Feuerfrau klar lokalisieren und manchmal sogar sehen kann.

Das hilft ihr, als sie fremdere Gefielde erreicht und sie behält die Richtung bei.
Die Vögel, die die Büsche am Wegesrand und die Bäume der Wälder besiedeln und vor und über ihr hin- und herflitzen und piepsen und zwitschern, scheinen ihr fast zahm. Sie bleiben lange sitzen, beäugen sie neugierig und kommentieren ihren Weg und sie selbst fleißig und aufgeregt - es ist eine Freude. Ein Buchfink hüpft im Buchenrain hin und her, und sie fragt sich, ob er seinen Namen einer Vorliebe verdankt?

Einen der kleinsten fliegenden Boten beauftragt sie mit einer winzigen Botschaft an ihren Liebesmann, nunmehr auch ihr Lebensmann, so fühlt sie es. Ein kleinstes Zeichen der Verbindung, deren Sendung flugs erfüllt wird.

Lang zieht sich der Weg vor ihr, manchmal meilenweit schnurgeradeaus. Ihr Gemüt ordnet sich, sortiert beiläufig die bedrückenden Teile aus, heilt. Während sie die urtypischen Gehöfte und Hütten betrachtet und bewundert, fließen die Gedanken in ruhige Bahnen zusammen und bilden einen einheitlichen Strom, ohne Schnellen und Kaskaden. So mag sie es. Ihre Füße tragen sie gleichmäßig und stark, und werden nur langsam müde.
Sie kreuzt ein weiteres Gewässer, und weiß bald in der Ferne den Kirchturm des fernsten Ortes auftauchen.

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Donnerstag, 31. Dezember 2020
Tor
Zerschlagen erwacht sie, viel zu früh, Kopf und Glieder schmerzen, der Tribut der vielen Waldarbeit wütet.

Sie aber steht sicher auf ihren Füßen, in ihren ungewöhnlichen Schuhen und auf ungewöhnlichem Terrain. Aufmerksam forscht sie nach - ist sie glücklich?

Der Schlaf verschließt erneut und sanft ihre Augen, und sowohl jetzt wie auch später lautet die feinsinnige, tief friedliche und ursprüngliche Antwort: ja.

Sein Geruch begleitet sie, hängt in ihren Decken und Federbetten, so dass sie sich gegen die Wäsche entschließt. Ihre Lippen glühen, Stille und Frieden beschenken sie reicher als jede Million es vermöchte.

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