Samstag, 1. April 2017
Kreis
Es geht ihr gut. Sehr gut sogar. Sie ist aufgeräumt, klar, bereit für das Leben.

Die letzten Tage hat sie - zwar fleißig, stark wie immer, aber eher desinteressiert und fast ein bisschen stumpf alle Arbeiten auf der Freifläche um die Hütte herum erledigt. Das gesamte Land ist umgegraben, alle Ansaaten sind rausgepflanzt, gewässert, Kletterhilfen sind gesetzt, sogar ein gutes neues Stück Erde hat sie der Wildnis abgetrotzt und urbar gemacht.

Das erste Jahr seit einem halben Leben ohne den Fuchs.

Abends sitzt sie erschöpft vor der Hütte, die Sonne füllt ihr Gesicht mit Wärme und lindert die Schmerzen ihrer müden Glieder. Wieder merkt sie: sie benötigt eigentlich keine Menschen, nicht wirklich. Erde und ein Auskommen genügen ihr. Wenn es nicht zu früh wäre, könnte sie sich vorstellen, nie wieder etwas anderes zu tun als diesen Ort zu bewirtschaften und ruhig zu werden.

Sie bemerkt, dass er für den Moment vollständig verschwunden ist und schöpft neue Hoffnung.

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Traum der Nacht
Alle sitzen um Tische herum, es ist Essenszeit. Auch M ist dabei, aus welchem Grund weiß ich nicht mehr, es sind in jedem Fall ausschließlich meine Kollegen dabei. Herr B hat Essen kommen lassen, deftiger Eintopf mit Würstchen.

Ich gehe zu M und bitte ihn leise, niemandem von meinen Kollegen zu sagen, dass wir kein Paar mehr sind, er antwortet: zu spät. Ich rege mich fürchterlich (relativ im Stillen, will ich doch keine Szene vor allen) auf, befürchte, dass alle nun noch mehr in meine Privatsphäre eindringen. Er gibt mir Recht, erinnert sich auch, dass ich ihm das früher schon gesagt habe, kann es aber nicht mehr rückgängig machen.

Wir entfernen uns von der Gruppe, er soll mir genau erklären, wie das Gespräch - und besonders mit wem - verlaufen ist. Er setzt mehrere Male an, es war B. Sie saßen im Pool, eine Art Dampfbad, nur Männer. B sagte etwas sexuelles über uns, M widersprach, dass wir das nicht mehr tun würden.

Während des Gesprächs mit M sitzen wir plötzlich in einem Kleinwagen, Fiat Uno, weiß, und rasen über eine vollkommen schneebedeckte Autobahn. Uns kommt ein schlingernder LKW entgegen, M äußert sich geringschätzig über seine Fahrkünste. Auch andere Fahrer haben Schwierigkeiten, unser Auto wird von M schnurgerade und sicher und ziemlich schnell gefahren. Ich sage angespannt, er solle bitte langsamer fahren, ich hätte Angst. Und sofort revidiere ich meine Aussage, selbst ein wenig erstaunt, ich habe gar keine Angst. Wir rasen weiter, alles ist mit frischem Schnee bedeckt, die Sonne strahlt, herrliches Wetter.

Plötzlich und völlig unerwartet rasen wir über eine Felskante und sausen über den Abgrund. Es ist klar, wir werden abstürzen, das ist das Ende. Komischerweise stürzen wir zwar, landen aber wohlbehalten - auf unseren Füßen - unten am Boden. Wir beschließen, etwas zu wandern und uns weiter zu unterhalten. Sofort am Anfang unseres Weges liegt ein Gasthaus. Wir sind zwar nicht hungrig, betreten das Haus aber trotzdem neugierig. Vielleicht ein anderes Mal? Wir werden nett empfangen, ein Haus erster Klasse. Uns wird gesagt, wir könnten aus sehr vielen verschiedenen Arten Ente wählen. Ich werde von einer Frau gefragt, ob ich mehrere Sorten Ente kennen würde; ich verneine. Sie lächelt wissend und nennt als erstes: Barbarie-Ente. Die kenne ich, antworte ich. Alle dann folgenden Namen habe ich noch nie gehört.

Wir bedanken uns nett für die Einladung und die Präsentation, verlassen das Haus und machen uns auf den Weg.

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Freitag, 31. März 2017
Ende
Vor ihr liegen Blatt und Stift, es gibt so viel zu schreiben - aber das Papier bleibt weiß. Durch das weit geöffnete Fenster quillt die frische Frühlingsluft herein. Ihr abwesender, fast freudloser Blick verfolgt den heiß brennenden Feuerball, wie er mühsam den Horizont hochklimmt.

Er ist nicht da und er wird niemals wiederkommen. Ausgesprochene Worte und abgeschnittenes Ende.

Das leere Blatt vor ihr bleibt weiß.

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Dienstag, 28. März 2017
Blick in die Welt
Mehrfach war ihr am Vortag das Wunder ihrer Augen durch den Kopf gegangen. Einmal setzte sie ihre Brille auf und dachte gleichzeitig an Zeiten, zu denen sie ohne Brille sehr scharf gesehen hatte. Sie war überaus froh, dass sie nur so winzige Veränderungen und Beeinträchtigungen anzunehmen hatte, dass keine Krankheit oder Behinderung mit großer Tragweite den Weg zu ihr gefunden hatte.

Aufmerksam betrachtete sie ihr Auge. Was für ein wunderbares Organ. Wer war auf diese komplexe Idee gekommen? Wer hat die Macht, so etwas zu schaffen?

Der Tag drängte sich in ihre Gedanken und begehrte Raum und Aufmerksamkeit. Sie ließ sich nicht drängeln. Sie bedankte sich ernsthaft und glücklich zugleich bei ihren Augen. Sie ehrte ebenfalls alle anderen Körperteile. Sie dankte der Welt. Sie dankte der Liebe. Dass sie da war. Dass sie zu ihr gekommen war.

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Montag, 27. März 2017
Sonne
Seine Abschiedsworte konnte sie gelassen hinnehmen und sie antwortete ihm zugewandt und liebevoll - und unter Beachtung und Wahrung ihrer Grenzen.

Später forscht sie nach den Gründen für ihre gute Laune und findet: nonverbal hatte er mitgeteilt, dass es ihm schwerfällt und so hatte sie die Hoffnung nicht aufgegeben.

Das Amulett um ihren Hals schwingt mit Leichtigkeit hin und her. Sie genießt die Tage und die Sonne und lässt ihr Herz, wo es ist.

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Sonntag, 26. März 2017
Geburt
Sie sitzt vor der Hütte und streckt ihr Gesicht zur Sonne hin. Die Luft ist kühl, der weißliche Feuerball strahlt dagegen an.

Sehr viele ihrer Sämereien sind aufgegangen. Alle hat sie bereits mit Wasser versorgt. Sie freut sich über die Explosion eines Baumsamen, die sie heute morgen zum ersten Mal gewahr wird; ob sie jemals von seinen Früchten kosten wird?
Es soll ihr Baum der Hoffnung werden, der Baum des Jetzt und des Morgen.

Ihr Blick wandert gen Himmel, hier und da ziehen leichte Wolken auf. Ob es ein Tag für Landarbeit wird, der erste des Jahres? Der letzte Kältehauch des Jahres liegt noch in weiter Ferne, sie will kein Risiko eingehen und die jungen Pflänzchen zu früh raussetzen.
Der Tag ist blutjung und sie verschiebt den Plan für das Tageswerk auf später. Erst wird sie in Ruhe ihren Kaffee schmecken und lieben, und danach ein Brot backen, mit dem vom Markt im Dorf mitgebrachten Schrot.

Kein Wort wurde bislang gesetzt über einen Menschen. Somit wird er erst jetzt, in diesem Moment, gedanklich leiblich. Bislang sollte er das nicht und es ist absolut fraglich, ob er seinen Leib zu Recht erhält.

Sie besieht sich seinen Leib und tut nichts.

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Samstag, 25. März 2017
hilflos
Der Tag schleicht sich mucksmäuschenstill und leise heran und breitet sich langsam in der Welt aus. Vorsichtig streichelt er ihr Gesicht und umgibt ihren Körper. Sie spürt die Anwesenheit ihres Liebesmannes in ihrem Herzen, ihrem Selbst; dann erwacht sie.

Nach dem Aufstehen, einem heißen Kaffee, dem Füttern der Vögel verfasst sie eine lange, wohldurchdachte Nachricht an ihn. Darin nimmt sie die Trennung an und bittet ihn um Frieden.

Später hält sie das Papier versunken über das Feuer, nach zwei,drei Momenten öffnet sie die Finger und beobachtet sein Segeln der Glut entgegen und wie es in Flammen aufgeht.

Sie ergibt sich in die Hilflosigkeit, sie, die Aktive, die Macherin.

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Donnerstag, 23. März 2017
Tagebuch
Das Leben um sie herum mutiert zu einem Tagebuch, einer Geschichte, in der sie vorkommt, einer Chronologie von Momenten.

Sie ruft sich zur Ordnung und zollt ihrer Gesundheit und der Fülle der Welt den gebotenen Respekt. Ihr Herz ist so gefühllos, dass sie den Schmerz nur so leise spürt, dass sie nachhorchen muss, ob er überhaupt da ist. Oder tut es womöglich gar nicht mehr weh? Doch nach ihm gesucht, findet sie ihn, vollumfänglich, konturenlos, schmerzhaft.

Ergeben legt sie das Amulett um den Hals. Der nächste Moment. Und der folgende. Und erneut ein neuer Moment.

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Mittwoch, 22. März 2017
herzlos
So viele Versuche, ihr Herz auszulösen liegen hinter ihr. Nun fängt sie wieder ganz von vorn an - aber diesmal ohne jeden Elan, ohne jeden wirklichen Willen. Sie schämt sich angesichts ihrer Schwachheit und Dummheit - denn wenn sie ehrlich ist, willigt sie ein, es bei ihm zu lassen und herz- und ziellos durch das Leben zu streifen.

Sie hat keine Kraft.



Ihre Gedanken bleiben stehen, sie hält inne. Plötzlich denkt sie: selbstgemachte Leiden. In dem Sinne, dass sie genau das gewusst hatte, und es trotzdem wollte. Und genossen hatte. Sie hatte aktiv entschieden, es so zu tun und zu leben, genau wie die Vergangenheit auch gewesen war.

Nun war es vorbei, und das war folgerichtig geschehen, aber mit vorheriger Erfüllung ihrer Wünsche. Die Konsequenz ihres abwesenden Herzens ist der Preis, den sie zahlt, und das hatte sie gewusst. Sie willigt ein in die Leiden, lässt ihr Herz, wo es ist und wendet sich den anderen Dingen zu, die ihr vor Füßen liegen, alle golden und mit dem strahlenden Leuchten der anderen Welt versehen.

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Dienstag, 21. März 2017
tief verborgen
Frühmorgens veranstalten die Vögel den ersten Radau des Jahres. Frühling, Frühling mit der Macht der Klarheit macht sich breit. Fix springt sie auf und startet geschäftig ins Leben. Sie klopft aus und lüftet, schleppt Gekochtes und Gebackenes raus, das sie heute verteilen wird, ordnet alles wieder und säubert die Herdstelle. Noch feuert sie morgens an.

Wie lange noch? Bald wird es zu warm sein für ein morgendliches Feuer, dann wird sie die meiste Zeit des Tages draußen verbringen, nur in der Hitze des Mittags die kühle Hütte aufsuchen. Und auch dieser Sommer wird sich dem Ende neigen, und mit dem ersten abgemähten Korn wird sie erneut daran denken, dass sie allein ist, wir alle allein sind.

Heute denkt sie, dass sie allein bleibt. Gefasst beäugt sie ihre Trauer, würde sich immer für ihre Klugheit entscheiden, wird sich niemals mehr einem Mann unterordnen, und keinen finden, der sie an seiner Seite stehen lässt. Einen solchen gibt es nicht, das ist die Wahrheit, die vor ihr liegt. Und das Leben könnte nach vorn genauso lang sein wie das hinter ihr.

Demütig senkt sie den Kopf und verschließt fest ihr Herz.

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Sonntag, 19. März 2017
Kätzchen-Prinzessin
Sie hat sich ein wunderbares Brot gebacken, mit getrockneten Kräutern des Vorjahres; der leckere Duft erfüllt die Hütte und sie löst sich darin.

Eine Scheibe Brot in der Hand tritt sie vor die Hütte, angezogen von dem Sein an sich. Der wilde Wind umgarnt sie und flüstert ihren Namen ...Kätzchen-Prinzessin... er umhüllt sie mit den Worten wie mit einem fließenden Umhang. Sie wundert sich, immer noch so zu heißen und erkennt, dass es ihr Name war und nicht seiner. Er hatte sie bei ihrem Namen genannt, ohne dass sie selbst wusste, wie er lautet.

Sie öffnet ihre Seele und lässt alles los. Satt und zufrieden beginnt sie ihre Arbeit.

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dritte Welt
Bereits früh wird es hell. Sie tritt vor die Hütte und sieht auf - tja, auf was sieht sie? Sie bemerkt, dass es kein Wort für das gibt, was sie meint. Sie sieht nicht auf die Dinge, nicht auf das Leben, nicht auf die Welt, nicht auf das Universum. Sie sieht auf das Unbeschreibbare, das Flüchtige, das Durchsichtige, das Große, das hinter der Welt liegt, die dritte Welt, die der Dozent letztens vergessen hat zu erwähnen.

Wissen wohl alle von dieser Welt, sind aber noch nie hingewiesen worden auf dieses Wissen, ist es unbewusst in jedem vorhanden? Oder weiß nur sie von dieser Welt?

Am Horizont geht die Zukunft auf. Sie steht still und ruhig, begrüßt das Neue, kann mit Ruhe und Zustimmung auf das Gewesene blicken, sieht, warum es so war und warum es so sein wird. Sie fügt sich ein in den Lauf der Dinge, ist nicht betont dankbar für das Erhaltene und tut sich nicht schwer, es ziehen zu lassen (ein wenig ist sie froh, dass es endlich gehen mag). Das Neue ist ihr willkommen, ebenso nicht übermäßig, es mag kommen, wenn es an der Zeit ist. Sie steht einfach vor der Hütte und sieht auf das, wofür es kein Wort gibt.

Ihre Gedanken kehren zurück ins Gestern, dort verwandelte sie sich plötzlich in eine Taube, nicht in eine weiße, besondere, sondern in eine graue, normale, unscheinbare, wie es sie zu Millionen überall gibt. Sie erhob sich und versah ihr Tagewerk, das Tagewerk der Tauben, ein Teil von ihr blieb zurück, es war ein toter Teil, und ein nicht körperlicher Teil entfloh, erhob sich, trennte sich. Auch als sie später zurückkehrte, zurückkehren musste, es war ein unspektakulärer, und dennoch besonderer Moment, nichts war mehr wie vorher.

Mit ihrem Sein verlässt sie die dritte Welt, in der sie Gast und Bestandteil gleichzeitig sein darf, sie seufzt und wendet sich der Hütte zu.

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Samstag, 18. März 2017
Ein Blick in die Ewigkeit
Eine erneute Nacht, die sie in der Gemeinschaft arbeitet. Sie hastet hin und her, alle Handgriffe sitzen, niemals vergisst sie ein tröstendes Wort, eine liebe Geste, einen freundlichen Blick.
In dieser Nacht hat sie eine Begegnung. Ein junges Mädchen sieht sie an aus jahrtausend alten Augen. Ein besonderer Hauch berührt sie.

Unvermittelt endet der Schmerz des Amulett. Für einen Moment fühlt sie sich wunderbar geschützt und geborgen. Dankbar hält sie inne, achtet den Moment. Dann eilt sie weiter und setzt ihre Arbeit fort.

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Freitag, 17. März 2017
Stunde Null
Ausgesprochen wurde es, er hat sich abgewendet, sich verschlossen, seine Silhouette verschwindet am Horizont. Sie ist keine Kätzchen-Prinzessin mehr, ihr güldenes Haar fiel aus, er verließ sie mit der Entscheidung, nicht zurückzukehren.

Unschlüssig starrt sie auf seinen Amulett, erwägt, es abzulegen. Kann es nicht. Legt es unter Schmerzen um ihren Hals, wischt alle Gefühle aus sich heraus, beginnt den Tag.

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Donnerstag, 16. März 2017
nicht da
Nun war er also wirklich weg. Sie unterbrach sofort jede Wahrnehmung. Jeder Gedanke wurde verloren. Sie starb aktiv, sie machte sich tot. Keine Bewegung, kein Atemzug. So würde sie verharren, bis neues Leben entsteht.

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Mittwoch, 15. März 2017
ja
Der Himmel liegt wattig und hellgrau - alles im Einerlei - zäh auf der Welt. Hier und da ein kleiner Spalt; sie geben lustlos wenig hellere Hinweise auf das dahinterliegende Paradies, unscheinbar und schwach.

Auch ihre Energie ist noch nicht angesprungen, der Motor summt nur leise, Ruhemodus, als hielte ein machtvoller Geist ihre Lider und Kraftwellen niedergedrückt. Langsam hebt sie den Blick und sieht ihm fest in die Augen, lässt ihn weichen und gewinnt Spaß an diesem Spiel. Sie gewährt dem Lächeln die Oberhand, legt ihre Werkzeuge zurecht, richtet ihre Stärken, weckt ihren Körper und erhebt sich gelassen und klar. Ja, sie wird diesen Tag leben.

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