Montag, 23. Januar 2017
neue Bilder
Sehr früh endet ihre Nacht. Schon seit geraumer Zeit hat sie Schmerzen; nicht übermäßig stark, aber kontinuierlich und kräftezehrend.

Heute beginnt Tag 2 und sie ist sich sicher, sie wird alles gut schaffen.

Am Abend hatte sie ein Gespräch, das etwas in ihr ausgelöst hat. Ein wenig war es so, als wenn sich ein Vorhang gehoben hätte. Sie sieht auf die Tatsachen der Vergangenheit, ohne Schmerz und ohne Sehnsucht, einfach so. Und dieser Blick und ihr Erkennen ermöglicht ihr den Start ihres Weges in die Zukunft.

Noch etwas unsicher lässt sie die neuen Bilder auf sich wirken, wie als ob sie erwartet, dass sie doch wieder im Nebel versinken.

Sie genießt die Ruhe und den heißen Kaffee und freut sich auf den Tag.

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Sonntag, 22. Januar 2017
Tag 1
Tag 1 ging leicht, sehr leicht. Sie wiegt sich nicht in Sicherheit und weiß, die Schwierigkeiten liegen vor ihr. Nicht zu schreiben wird sie sehr gut schaffen.

Sie liest sich noch einmal ihren Plan durch, um ihn gut zu verinnerlichen.

Ihr fester Blick sieht starr nach vorn.

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Plan
Sie hat einen Plan.

Erstens: sie wird ihm für die Dauer von mindestens sieben Tagen keine Nachricht schicken.

Zweitens: wenn er sich meldet, wird sie mindestens das erste Date absagen. Möglichst natürlich, ohne Begründung. Wenn er nachhakt, womöglich den Tag danach anfragt, wird sie eine Begründung - auf ein unbestimmtes Zeitziel (nach ein paar Tagen) nennen.

Heute ist Tag 1.

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Samstag, 21. Januar 2017
Teil der Welt
Es ist stockdunkel, als sie erwacht. Vom Morgenlicht ist noch nicht das klitzekleinste bisschen zu sehen. Ihre schlaftrunkenen Gedanken haben Geräusche vom Fuchs gehört, und Schreie. War es ihr Kind?

Entschlossen verwehrt sie dem Bösen den Einlass und verschließt fest ihre Tür. Sie setzt sich ans Fenster und blickt in die Sterne. Erst nach Stunden erlaubt sie einem leichten Schlaf erneut Zutritt.

Am Morgen hat sie das Gefühl, sie könnte ihn verlassen. Sie traut dem Empfinden keinesfalls, jagt es aber auch nicht weg. Wenn es Kontinuität sein eigen nennt, wird sich das schon zeigen. Und das wird sie begrüßen, denkt sie müde, oh ja, wie sehr würde sie das begrüßen. Ein wenig träumt sie; sie wird ihm absagen, wenn er das nächste Mal anfragt.... Lapidar und leicht...

Welcher Selbstbetrug, wo sie doch seine Anwesenheit ersehnt. Dennoch wird sie es irgendwann schaffen, dessen ist sie sicher. Sie blickt auf die Planzeitschiene. Resumée 1 von 4 steht am 12. des dritten Monats an. Bis dahin ist noch Zeit. Bislang hat sie innerlich ein wenig gefürchtet, dass ein weiteres Jahr immer noch nicht ausreicht, um sich von ihm zu lösen. Vielleicht, denkt sie plötzlich, geht aber alles auch viel schneller, und ihre Zeitschiene ist gar nicht mehr nötig?

Mittlerweile steht die Wintersonne am blassblauen Himmel. Ein Eichhörchen bewegt sich fast gemächlich an einem schlanken Tannenstamm empor, es ist ein friedlicher Tag. Sie genießt diese Tageszeit wie immer und beschließt, den Beginn ihrer Arbeit noch etwas hinauszuzögern. Eine weitere Tasse heißer Kaffee bereitet ihr zusätzlichen Genuss und sie fängt an, ihren Schriftwechsel zu erledigen. Sie ist Teil dieser Welt und so ist es gut.

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Sonntag, 15. Januar 2017
Wintersonne
Auf dem Weg zum Grab steht ihr plötzlich eine kleine Gruppe Rehe gegenüber. Still hält sie inne. Nach einiger Zeit hebt sie vorsichtig ihren Handrücken. Zwei Rehe nähern sich, eins ist dennoch sehr zurückhaltend, eins etwas unbedarfter.

Sie wird etwas abgelenkt, später finden dann doch noch heiße Tränen ihren Weg. Die Wärme der Rehmäuler und der Kontakt lassen sie den Fuchs schmerzlich vermissen. Sie bringt ihm seine Gabe, legt sie auf seinen Ort, sendet ihm all ihre Liebe.

Eine fahle Wintersonne bewirft ihren Rücken mit gleißenden Strahlen ohne jede Wärme.

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Der Platz an ihrer Seite
Wieder sind es die Vögel, die ihr über die große Entfernung zwischen dem Fuchs und ihr hinweghelfen. Es ist noch nicht hell, als sie ihnen Körner und Krümel hingibt, dennoch lärmen und kreischen sie bereits lauthals und unbeschwert.

Ein weiteres Mal durchstreift sie der Gedanke, sich vor ihm vollends zu verschließen. Sie wird es erst dann können, wenn sie bereit ist, ihn abschließend zu verlassen. Leicht unsicher freut sie sich auf diesen Zeitpunkt. Zufrieden blickt sie auf den Weg hinter sich und auf die Zeit mit ihm zurück. Erneut öffnet sie die Hände und lässt ihn los. Sie ist ruhig und weiß, er wird kommen, der Zeitpunkt.

Das noch schale Morgenlicht hebt sich nur undeutlich vom Schwarz der Baumstämme des Waldes ab. Der Tag beginnt und sie begrüßt und fürchtet ihn gleichzeitig.

Der Platz in ihrer Seite ist leer - und plötzlich bemerkt sie: er ist gar nicht da, dieser Platz.

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Samstag, 14. Januar 2017
Idyll
Die ganze Nacht hatte sie im Dorflazarett ausgeholfen und gewacht. Dennoch war sie nicht müde. Einige Kranke hatte sie gewaschen und verbunden, und mit einer alten Frau sprach sie eine lange Stunde.

Als der Tag anbricht, kehrt sie heim. Sie streckt ihre Hand aus nach der Schlafstatt des Fuchses, um sie wegzuräumen - und hält inne. Still legt sie die Decken und Felle wieder zurück, nachdem sie sie ausgeschüttelt und gesäubert hat.

Der strahlende Himmel überspannt ihre Welt; wären nicht die bitterkalten Temperaturen, könnte man meinen, es sei Sommer, so lustvoll und mächtig steht die pralle Sonne über ihr. Ohne zu schlafen beginnt sie mit der Arbeit. Nur die Vögel sind ihr treu und umflattern laut quatschend und plappernd ihre Hütte und die Futterstelle.

Zufrieden tut sie ihr Werk. Einige Male hat sie den Gedanken zu sich gewunken, ihn zu verlassen. So ermüdend es sein mag, sie liebt ihn. Ob sie ihn nun verlässt oder nicht. So harrt sie der Dinge und ehrt jeden Zeitschlag.

Als im heimeligen Häuschen alles blitzt und glänzt, Brot und Mahl gebacken und zubereitet sind, packt sie sich warm ein und macht sich auf den Weg zu ihrem Kind. Sie werden letzte Lebensmittel ernten und Fleisch haltbar machen. Abends wird sie so erschöpft sein, dass sie schneller in die tiefste Nacht sinken wird als sie denken kann. Ihr Leben ist geregelt, gesichert, mit Herzenswärme gesegnet, sie ist geborgen und ruhig. Sie hebt ihren Blick und lässt ihre Augen zu schmalen Schlitzen werden, um in der Ferne die Zukunft zu erkennen und sie willkommen zu heißen. Sehnsucht liegt zwischen ihr und dem Horizont.

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Freitag, 13. Januar 2017
Lachen
Friedlich und spät erwacht sie. In ihr ist eine wundervolle Ruhe, ein glitzerndes Nichts. Ihr Blick wandert langsam und mit Genuss über innere Landschaften und versinkt in diese Bilder; es ist ein Schatz und ein Wunder, das sie gleichzeitig hütet und sich in ihm geborgen fühlt. Der Fuchs flitzt immer wieder von rechts nach links und zwischendurch wieder zurück.

Er scheint zu lachen.

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Donnerstag, 12. Januar 2017
Pfeil an der Sehne
Der Fuchs ist tot. Sein Leichnam liegt in der kalten nassen Erde. Seine Seele hat sich eingefügt in die Gemeinschaft der Seelen, die bereits gestorben sind, dort lebt er, fern von ihr. Sie hat eingewilligt in diese Gedanken. Täglich pilgert sie zum Grab, meist vor Beginn ihres Tagewerks.

Sie selbst ist bereits wieder vollständig eingefangen von den täglichen Gedanken und Handgriffen, auch im Winter arbeitet sie emsig und immer in Bewegung, mit viel Freude und Energie, immer das Ziel in der Ferne im Blick.

Eine gute Etappe hat sie erreicht. Zufrieden erlebt sie Gesundheit, Familie und Kinder, ihr Heim, ihre gute Versorgung, Nachbarn und Freunde. Auch in ihr sind ihr gespannter Blick nach vorn, ihr Antrieb, ihre unbändige Lebensfreude; sie kommt sich vor wie ein Pfeil an der Bogensehne. Ein Lächeln schleicht sich in ihr Gesicht, sie schüttelt ihr Haar und schiebt die Ärmel nach oben. Der Tag beginnt.

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Sonntag, 8. Januar 2017
Antrieb
Sein Besuch hat sie etwas verwirrt. Sie ist glücklich, ausgeglichen, friedlich. Und etwas verwirrt, worüber bloß?

Sie haben geredet. Er hat sich eingelassen. Soweit nichts Neues, fällt ihr auf.

Er hat ihr gesagt, warum er einen solch strikten Abstand einhält. Und er hat sich angehört, was sie strikt ablehnt. Das erste war ein Novum. Oft hat sie gegrübelt, wusste nicht, was seine Antriebe sind. Einen kennt sie nun.

Etwas halbherzig denkt sie den Gedanken, ihn zu verlassen. Und lächelt nachsichtig. Noch wird es nicht klappen.

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Samstag, 7. Januar 2017
Schnee
Die Liebe erfordert Mut. Sie hat ein forsches Wesen, stürmt gern voran - doch in der Liebe dosiert sie ihren Mut vorsichtig.

Nach langen Jahren tut sie es doch.

Er bereitet ihr eine Basis, mit seinem Einsatz, mit Fürsorge, mit etwas Angst auch von seiner Seite. Sie öffnet sich und ist mutig. Sie ist ihm willkommen.

Es ist, was es ist, sagt die Liebe. Sie ist ruhig und ausgeglichen.

Der Fuchs liegt unter einer dicken Schneedecke und ruht.

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Freitag, 6. Januar 2017
Was möchtest Du?
Am Tag nach dem anstrengenden und langen Markttag treffen sich alle am Waldrand. Auch sie ist dabei, eingepackt in dicke, wollende Kleidung und ihre warmen, gefütterten Lederstiefel. Es werden Reiser und Äste aufgelesen und in Stücke in passender Form gebrochen. Die Männer sägen die stärkeren Äste und Stämme, und hacken die Holzstücke mehrfach klein.

Es ist ein buntes Treiben, die Frauengruppe, der sie sich angeschlossen hat, arbeitet stetig und schnell, sie stapeln Holz im Schutz der ersten Bäume auf und packen Kisten und Körbe und tragen sie zu den einzelnen Hütten. Es wird viel gelacht und geredet.

Er hält sich von ihr fern; niemals spürt sie seinen Blick. Ihr Band ist da, und manchmal bittet sie ihn um einen helfenden Handgriff, den er sofort gewährt. Sie liebt ihn, sie macht kein Hehl daraus; wenn er gehen will, soll er gehen, das ist ihre Haltung. Seine Haltung kennt sie wie immer nicht. Sie ist nicht ängstlich, das spürt sie, denn sie fürchtet nicht, von ihm verlassen zu werden. Sollte er es dennoch tun, wird sie fallen, sie weiß es, macht sich aber keine Gedanken darum.

Mittags hat sie ein Gespräch mit einer Nachbarin, etwas abseits der Gruppe. Diese fragt sie nach ihren Wünschen und Zielen. Sie weiß keine Antwort.

Sie ist selbst ein wenig erstaunt und dankbar für diesen Hinweis.

Sehr spät kehrt sie heim. Die Hütte liegt dunkel und verwaist vor ihr. Die Schlafstatt des Fuchses in der Ecke vor der Feuerstelle ist leer. Keine klugen Augen, kein tiefer Blick verfolgen ihr Tun. Sie verwirft den Gedanken an eine späte, einsame Mahlzeit und verkriecht sich, ohne anzufeuern, unter ihrem weichen, kuscheligen Bettenberg.

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Donnerstag, 5. Januar 2017
wegfliegen
Es ist stockdunkel, als sie aufsteht. Sie geht nicht zum Grab. Ab und an kriecht ihr der Gedanke an den Fuchs in den Kopf.

Sie hält inne und fühlt nach, was passiert.

Sie ist ruhig, zufrieden, dankbar. Sie sieht ihren Weg vor sich und setzt einen Fuß vor den anderen.

Die ersten Handgriffe des Tages wollen erledigt werden. Sie führt sie aus und entfleucht mit ihrem Bewusstsein in weite Fernen.

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Mittwoch, 4. Januar 2017
Tagewerk
Der erste Morgen, an dem es ihr besser geht. Gestern abend jagte der sausende Sturm durch die Baumkronen, das Tosen war laut und hüllte den Fuchs und sie ein. Dieser kraftvolle Wind würde in der Lage sein, sie beide zu schützen.

Auch heute morgen ist er noch da, der Wind. Sie lauscht dem Raunen und Murmeln. Das erste Mal lässt sie den Gedanken zu: Er ist tot. Gestorben. Er ist bereits weit weg, es gibt keine Verbindung.

Sie bleibt ruhig und startet ihr Tagewerk.

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Dienstag, 3. Januar 2017
Gang zum Grab
Sie kehrt spät heim, es zieht sie sofort zum Grab. Erst als sie dort war, wird sie ruhig. Sie legt einen Stein ab, bleibt noch eine Weile, in der Nähe beim Fuchs.

Sie weint nicht, wendet sich ab.

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Ruhe
An diesem Morgen fehlt die ganz große Verzweiflung, - und der Fuchs. Sie erwacht ruhig, die absolute Einsamkeit steht mit ihr auf.

Sie wird ihr Leben ordnen. Ungeachtet der Drei-Monatsfrist denkt sie, sie kann es nur ordnen, wenn sie frei wird von ihm. Alle ihre Gefühle verändern sich. Sie ist ruhig und weiß, sie wird es schaffen. Und dann wird man weitersehen.

Sie macht sich auf zum Grab.

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Montag, 2. Januar 2017
Er ist nicht mehr da
Sie erwacht und nicht der erste Gedanke gilt dem Fuchs. Der macht sich mit dem zweiten und allen folgenden Gedanken und Gefühlen bemerkbar und sie erinnert sich widerwillig an sein Fehlen. Sie kleidet sich unmittelbar an und wandert sofort zum Grab. Unter ihren Schuhen knirscht der Schnee laut und aufdringlich, jedes Geräusch flüstert ihr zu, er ist nicht mehr da, er ist nicht mehr da, er ist nicht mehr da.

Sie legt ihre Hand auf die dicke Schneedecke auf seinem Totenbett, verweilt einen Gedanken lang und wendet sich ab.

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