Montag, 12. Juli 2021
Klausur
Am dritten Tag, an dem sie nicht in den Wald arbeiten geht, spürt sie ihre Kräfte leise und im Hintergrund, schüchtern, wiedererwachen. Erschöpfung und Schwere sitzen zwar noch in ihren Knochen, aber sie schläft etwas länger, das Aufstehen fühlt sich etwas behender an, und noch bevor sie den ersten Schluck Kaffee trinkt hat sie beim Blick auf ihre Küchenkräutertöpfchen beschlossen, die Pflanzen mit Sämereien zu verstärken, und die Samen auch gleich schon aus dem Schuppen geholt.

Der Sommer quillt durch die weitgeöffneten Fenster und Türen herein und bringt diesen ahnungslosen Frieden mit sich, der nur das Gute und das Jetzt kennt. In Gedanken geht sie schon jetzt eine kleine Morgentour, nur bis zum Waldrand und zurück, sie freut sich, die Sommerluft trinken, angefüllt werden mit dem Überfluss der Welt.

Das Körbchen für des Wolfes Nachrichten hat sie nach hinten verräumt, sie wirft keinerlei Blicke hinein, das tut ihr gut. Er kennt alle Orte, und er kommt, oder er kommt nicht.
Manchmal streifen ihre Gedanken - so zum Beispiel gestern - einen anderen Mann, also einfach die Möglichkeit, sie verwirft sie, und kehrt zurück zu sich selbst.
Es ist wieder eher ein Weg zu ihr selbst denn diese Liebesgeschichte, und sie lässt alles so wie es ist, berührt nichts davon.

Bereits jetzt, früh im Juli, wurde das erste Korn umgelegt, ausgebreitet zum Trocknen und eingebracht, und sogar die Stiele und Stengel für das Vieh sind schon gebunden und eingelagert. Goldgelb liegen die leeren Felder da, und auf ihnen die fremden Gänse und andere Feld- und Wiesenvögel, die in den zurückgelassenen Körnern picken und schwelgen.
Der Ährenschnitt hat ihr in einigen Jahren Wehmut und Ängstlichkeit gebracht, heuer fühlt sie sich wieder gefestigter und lässt die Unsicherheit und Furcht nicht näherkommen. Sie saugt Leben und Hoffnung förmlich in sich auf und besieht sich mit größerer Aufmerksamkeit denn je die Dinge und den Fortgang der Natur.

Heute oder morgen treten ihr Kind und sie eine Reise an; sie freut sich schon, und gleichzeitig bringt der Lauf der Zeit das Ende der Waldjahre näher. Gut so.

Sie tappt mit nackten Füßen zum Ofen und holt sich einen weiteren Krug heißen, tiefschwarzen Kaffee. Frieden herrscht.

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